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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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um die Ohren. Da muß man dann doch aufpassen, daß man nicht zu nahe steht. Daß Gottschalk auf dem Marsch nach Rehoboth meist mit Wenstrup zusammen ritt, ergab sich einfach daraus, daß Gottschalk der 5. Batterie zugeteilt worden war und Wenstrup den Befehl erhalten hatte, sich dieser anzuschließen, bis er in Keetmannshoop die Versorgungsstaffel traf, zu der er abkommandiert worden war.
    Am dritten Tag trug Wenstrup dieses rote Halstuch. Niemand stellte ihn deswegen zur Rede, obwohl das Tuch zwischen den grauen Uniformen und in dieser grauen Landschaft wie eine rote Signallaterne leuchtete.
    Der Krieg kann, wenn man ihn richtig führt, für unsereins auch seine Freiheiten schaffen, sagte Wenstrup. Sehen Sie, die Herren haben vor lauter Diensteifer und natürlich auch vor Angst ihre Augen überall, aber wir sind der schwarze Fleck.
    Die Abteilung wurde von einer Avantgarde und einer Arrieregarde gesichert. Seitwärts, rechts und links von der Marschkolonne ritten Patrouillen, und die Offiziere suchten das bebuschte Gelände immer wieder mit Gläsern ab. Besonders der Schwanebach. Dem schien das Glas unter die Stirn gewachsen zu sein.
    Ein Oberleutnant, der schon sechs Jahre in Südwest gedient hatte, sagte zu Schwanebach, das Herumsuchen in der Gegend nütze überhaupt nichts. Wenn die Hottentotten einen Hinterhalt legten, dann würde man das erst dann bemerken, wenn die ersten Reiter aus dem Sattel fielen. In diesem überschaubaren Gelände würden die niemals einen Angriff versuchen. Die Hottentotten hielt er für weit gefährlicher als die Herero. Die hätten sich in einer offenen Feldschlacht abschlachten lassen, dafür aber auch mit den Gefangenen nicht viel Federlesens gemacht. Den Toten hätten sie die abgeschnittenen Genitalien in den Mund gesteckt.
    Viehisch, sagte Schwanebach und hielt verkrampft das Glas vor die Augen.
    Wenstrup wollte wissen, ob das eine Art Kriegsritual sei. Der Oberleutnant sagte nein. Der Grund läge wohl darin, daß es während des Vormarschs der deutschen Truppen zu Vergewaltigungen und Mißhandlungen von Hererofrauen gekommen sei. Der Furor teutonicus, sozusagen. Aber das hatte Wenstrup gesagt.

    Am 17. 11. 1904 erreichte die Abteilung Rehoboth. Ein Ort, der aus einigen weißgetünchten Häusern und ein paar Lehmhütten bestand.
    Die Zugochsen hatten sich, das Wasser witternd, auf den letzten Kilometern mächtig ins Zeug gelegt, mit einem sonderbar trockenen Röcheln. Jetzt soffen sie. Sie pumpten sich regelrecht mit Wasser voll, bis sie sabbernd und mit tonnenartigen Bäuchen weglatschten. Gottschalk ermahnte die Soldaten, von denen viele erstmals eine längere Strecke auf einem Pferd geritten waren, die Tiere vorsichtig zu tränken, damit es nicht zu Koliken käme.
    Von Rehoboth aus wollte der Kommandant der Südabteilung, Oberst Deimling, nach Rietmont vorstoßen, wo sich Hendrik Witbooi mit seinen Leuten aufhielt.

    Wenstrup blieb verschwunden. Auch nach einer Woche gab es keinerlei Lebenszeichen. Daß er sich verirrt haben könnte, wurde von Landeskennern ausgeschlossen, da er von dem Hottentottenjungen begleitet worden war. Jakobus war zwar Witbooi und kam aus Gibeon, aber man hatte Wenstrup versichert, daß ein Hottentotte, gleich aus welcher Gegend, sich überall im Lande zurechtfinden würde. Gottschalk kam plötzlich der Verdacht, daß Jakobus Wenstrup ermordet haben könnte. Aber dafür hätte es dann doch einen Grund geben müssen, der über einen verstehbaren allgemeinen Haß auf die Deutschen zu einem besonderen Haß auf Wenstrup hätte führen müssen. Darüber nachdenkend, kam Gottschalk aber immer wieder zu dem Schluß, daß es einen solchen Anlaß nicht gegeben habe, jedenfalls konnte er sich an keinen erinnern. Landeskundige, mit denen er über seinen Verdacht sprach, behaupteten, man müsse einem Hottentotten alles zutrauen. Jahrzehntelang ein treuer Diener seines Herrn, schneidet er dem Schlafenden, wenn es im Interesse seines Stammes ist, plötzlich die Gurgel durch. Kein Weißer wurde vor dem Aufstand gewarnt. Ein Ehrbegriff wie Treue sei ihnen unbekannt, jedenfalls den Weißen gegenüber. Lediglich der Missionar, dem es gelungen war, den Ältestenrat der Gochas-Hottentotten zu überreden, sich nicht am Aufstand zu beteiligen, behauptete, daß er sehr wohl Fälle kenne, in denen Hottentotten ihren weißen Herren in lebenslanger Treue angehangen hätten.
    Das Merkwürdige aber war, daß Gottschalk bei dem Versuch, sich an jede Einzelheit, die Jakobus betraf,

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