Morenga
Zügel haltend vorsichtig zu streicheln versucht, mit einem entsetzten Wiehern zurück.
Der Fall hätte kaum weitere Beachtung gefunden, wenn das Pferd nicht jeden anderen Reiter geduldig an sich hätte herankommen und aufsitzen lassen, nur eben den Rittmeister Tresckow nicht.
Gottschalk, der auf Befehl Tresckows das Pferd untersuchte, konnte, abgesehen von der starken Erregung des Tiers, nichts Außergewöhnliches feststellen. Schließlich bat er den Rittmeister, ob er einmal seine Hand riechen dürfe. Tresckow streckte sie ihm zögernd und ziemlich steif entgegen. Gottschalk schnüffelte. Die Zuschauer grinsten. Tresckow wollte wissen, was das zu bedeuten habe. Gottschalks Diagnose: Der Herr Rittmeister benutze ein stark riechendes Eau de Cologne, worauf das Pferd wahrscheinlich allergisch reagiere. Er habe einen ähnlichen Fall in seinem früheren Regiment erlebt, wo ein Pferd einen Major nicht riechen mochte, der ein durchdringendes Rasierwasser benutzte.
Tresckow ließ das Pferd erschießen, wegen Truppenuntauglichkeit. Schade um das Pferd, sagte Gottschalk später.
Eine Sanitätspatrouille, die das Gefechtsfeld bei Naris absuchte, fand fünfzig tote Hottentotten. Man ging aber davon aus, daß die Verluste höher waren, da die Hottentotten die Angewohnheit hatten, ihre Toten und Verwundeten um jeden Preis mitzuschleppen. Der Generalstabsbericht schlüsselt die Toten nicht nach Geschlechtern auf.
Die Artillerie muß bei der Beschießung des Orts und der Fliehenden sehr effektiv gewesen sein.
Auf deutscher Seite waren drei Mann gefallen, ein Offizier und acht Mann verwundet.
Bekanntmachung (Laufzettel)
Für Offiziere und Chargierte stehen einige halbwüchsige Hottentotten und Damara als Bambusen zur Verfügung. Sie können auf Antrag für den privaten Bedarf abgegeben werden. Ihre Verpflegung muß aus den anfallenden Essensresten der Kompanien bestritten werden. Da es sich meist um Kinder handelt, die auf Missionsschulen erzogen wurden, besteht kaum Gefahr für Leib und Leben.
Schriftliche Eingaben sind an den Bataillonsstab zu richten.
Unterschrift (unleserlich)
Was Gottschalk überrascht hatte, war, daß Wenstrup sich als einer der ersten um einen solchen Bambusen bemühte. Wenig später bekam Wenstrup einen Hottentottenjungen zugeteilt. Nur wenige der Offiziere hatten sich um einen der Gefangenen bemüht. (Der Schwanebach: Eines Tages wache ich mit durchschnittener Kehle auf. Ha, ha.) Von Gottschalk befragt, warum gerade er, Wenstrup, ein Kind für sich arbeiten lassen wolle, antwortete Wenstrup: Weil die Herrschaft des Menschen über den Menschen abgeschafft werden muß. Und als Gottschalk meinte, das sei denn doch wohl ein Widerspruch, erläuterte Wenstrup: Sehen Sie, wenn man tatenlos zusieht, wie ein ganzes Volk abgeschlachtet wird und sich zugleich einen Bambusen hält, dann ist das lediglich ein kleiner Seitenwiderspruch, eine private Paradoxie, wenn Sie so wollen, eine Paradoxie, die sich einmal in Praxis auflösen wird. Gottschalk schien das alles sehr nebulös.
Es zeigte sich dann aber, daß Wenstrup sich von dem Hottentottenjungen, der Jakobus hieß, nicht die Schuhe putzen ließ, sondern ihn beköstigte und bei ihm Sprachunterricht nahm. Wenstrup lernte Nama, indem er auf verschiedene Gegenstände zeigte, die der Junge dann benannte: Baum, Strauch, Sonne, Wolke, Weg, was dann wiederum Wenstrup nachlallte. Schon nach zwei Tagen beteiligte sich auch Gottschalk an diesem Sprachunterricht. So konnte man abends, gleich nach dem Abkochen, die beiden Veterinäre hören, wie sie sich im Zungenschnalzen übten. Die Zunge muß sich regelrecht lösen, sagte Gottschalk einmal zu dem Divisionspfarrer Schmidt. Und in seinem Tagebuch findet sich der Satz: Nama, eine Sprache, die man nur mit gelöster Zunge sprechen kann.
Gottschalk ließ diese sonderbaren Laute genüßlich auf der Zunge zergehen. Einmal beobachtete man die beiden Veterinäre, wie sie abwechselnd dem Jungen mit dem Zeigefinger in den Mund fuhren, was sie eine Zeitlang in den Verdacht der Päderastie brachte. Tatsächlich aber versuchten sie lediglich herauszufühlen, an welcher Stelle der Mundhöhle und mit welcher Zungenbewegung die verschiedenen Schnalzlaute erzeugt werden. Auf dem Marsch nach Gibeon, der durch eine langweilig flache Landschaft führte, übte Gottschalk die vier verschiedenen Schnalzlaute, indem er die Zungenspitze gegen die Alveole preßte und sie dann mit einem heftigen Ruck nach unten schlagen ließ, was einen
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