Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
Vom Netzwerk:
auszuschütten.

    Die Woermann-Linie
    Die Reederei besaß praktisch das Monopol für sämtliche Transporte nach Südwestafrika.
    Der Abgeordnete Erzberger wies in seiner Rede vom 24. März 1906 im Reichstag darauf hin, daß die Woermann-Linie rund 3 Millionen Mark für überhöhte Frachtkosten sowie weitere rund 3 Millionen Mark für Liegegelder unrechtmäßig eingestrichen habe.
    Am 2. August 1906 präzisierte Erzberger in einem Brief an den Reichskanzler v. Bülow die Angaben anhand neuen Materials. Daraus ging hervor, daß die Woermann-Linie »pro Tonne 185 Mark in derselben Zeit erhält, in welcher ein anderer Dampfer etwa 20 Mark erhält«.

    Firma Tippelskirch
    Teilhaber der Firma Tippelskirch waren unter anderem der preußische Landwirtschaftsminister Podbielski sowie mehrere Legationsräte der Kolonialabteilung. Auf Grund dieser Beziehungen besaß die Firma das Monopol für die Ausrüstung der Kolonialtruppen. Die Qualität der von der Firma Tippelskirch gelieferten Waren galt als minderwertig, die Preise waren überhöht. Proteste der Truppe bewirkten aber nichts. Erst später wurde in einem Bestechungsskandal offenbar, daß der Major Fischer, der für die Bestellung und Abnahme der Ausrüstungen zuständig war, von der Firma größere Geldzuwendungen bekommen hatte.
    Die Umsätze der Firma Tippelskirch bewegten sich in den Jahren von 1899 bis 1903 jeweils um 2 Millionen Mark; durchschnittlich wurde eine Dividende von 10,7 Prozent ausgezahlt. Durch den Krieg steigerte sich der Umsatz in den Jahren 1904/05 auf jeweils 11 Millionen Mark. Die Firma konnte in beiden Jahren je 65 Prozent Dividende zahlen. (Angaben nach: Horst Drechsler, Südwestafrika unter deutscher Herrschaft, Berlin 1 966, S. 257 f.)

    Wenstrups Verschwinden

    Anfang Januar 1905 war Wenstrup verschwunden. Den genauen Termin seines Verschwindens konnte später niemand mehr angeben. Man wußte nur, daß er am 2. Januar in südlicher Richtung aus Keetmannshoop hinausgeritten war. In seiner Begleitung befand sich sein Bambuse, ein Hottentottenjunge namens Jakobus.
    Der Unterveterinär Wenstrup war auf Befehl nach Uchanaris geritten. Dort, in der mit nur wenigen Mann besetzten Militärstation, waren Rinder angeblich an Milzbrand krepiert. Wenstrup sollte diesen Verdacht prüfen und, falls es sich tatsächlich um Milzbrand handelte, Gegenmaßnahmen ergreifen. Da es Zugochsen waren, bestand die Gefahr, daß die Seuche auch nach Keetmannshoop verschleppt würde. Man hatte ihn davor gewarnt, allein zu reiten.
    Zwar hatten sich die Hottentotten um Keetmannshoop nicht dem Aufstand angeschlossen, aber es kam immer wieder zu Streifzügen der Rebellen in dieses Gebiet, und zudem konnte man keinem der Hottentotten trauen.
    Wenstrup aber wollte nicht warten, bis eine Patrouille nach Uchanaris ging, sondern gleich reiten. Dieser ungewöhnliche Diensteifer war nicht nur Gottschalk aufgefallen. Andererseits hatte Wenstrup sich nicht freiwillig gemeldet.
    Vor drei Wochen, also kurz vor Weihnachten, war ein Stabsarzt ebenfalls allein mit seinem Burschen nach Uchanaris geritten, um einem Gefreiten den vereiterten Blinddarm herauszuschneiden. Als Wenstrup aus dem Ort ritt, trug er statt des Truppenhuts einen Chapeau claque und unter seiner grauen Uniform dieses leuchtendrote Halstuch. An diesem Aufzug war nichts Ungewöhnliches. Die meisten Reiter liefen in Keetmannshoop herum wie zu einem Lumpenball kostümiert. Einige trugen Kreissägen aus Stroh, andere abgetragene Paletots. Äußerlich begann sich der Unterschied zwischen Militärs und Rebellen zu verwischen.
    Die Versorgungslage sei katastrophal, sagte ein Zahlmeister in Lodenjoppe.
    Hier in Keetmannshoop fühlte sich Gottschalk erstmals seit seiner Abreise aus Hamburg wohl. So hatte er sich den Krieg in Südwest vorgestellt, nicht bequem, aber beschaulich und doch abwechslungsreich. Ein wenig begann er die Ereignisse so zu betrachten, wie er sie später einmal Freunden und Bekannten erzählen würde.
    Das zeigt sich auch in seinen Tagebuchnotizen. Gottschalk hat einige jener Anekdoten, die ihm alte Schutztruppler erzählten, aufgeschrieben: Die Geschichte von dem Löwen, der schon ziemlich alt und gichtig, einen schlafenden Reiter vom Feuer wegschleppt und erschrocken von seiner Beute läßt, als dieser aufwacht; die Geschichte von einem Riesenfaß, das ein Verrückter in das Land geschleppt hat; die Geschichte von einer Sandviper, die ein Leutnant nach dem Aufwachen in seiner Brusttasche findet. Dazu

Weitere Kostenlose Bücher