Morenga
Eigentum des Heeres war.
Man durchschnitt die Stricke, mit denen der Mann gefesselt war, und befahl ihm, die Uniform auszuziehen. Der Mann stand jetzt nackt da, beständig das verquollene Grinsen im Gesicht und seinen Priem kauend. Gottschalk fragte sich, warum sich niemand über dieses gleichmütige Kauen erregte, das angesichts des angeschlagenen Gewehrs, des danebenstehenden Leutnants und all der anderen Neugierigen etwas Verächtliches hatte.
Als der Rebell am Boden lag, befahl Schwanebach, der Oberveterinär solle prüfen, ob der Pavian tot sei. Gottschalk beugte sich über den Leichnam, aus dessen Mund wie ein roter Faden etwas Blut gelaufen war. Im anderen Mundwinkel war ein bräunliches Rinnsal. Offenbar hatte der Mann, selbst als ihn der Schuß ins Herz traf, seinen Priem nicht verschluckt.
Gottschalk hatte gehen wollen, bevor man den Gefangenen erschoß. Aber der Leutnant hatte ihn wieder zurückgerufen und ihm befohlen, zu bleiben, damit er ordnungsgemäß den Tod des Delinquenten feststellen könne. Er sei dafür nicht zuständig, hatte Gottschalk zunächst sagen wollen, er sei schließlich Tierarzt. Aber er blieb und schwieg, da er fürchtete, daß der Schwanebach hätte antworten können: Eben darum. In dem Gesicht des Toten war noch immer dieses breite Grinsen. Einen Moment glaubte Gottschalk, der Mann stelle sich nur tot. Er schob behutsam das Augenlid hoch, eine braune Lidfalte, die diesem Gesicht den eigentümlich asiatischen Ausdruck gab. Die Pupille zeigte keinen Reflex.
Tagebucheintragung Gottschalks vom 5. 12. 04 (nachts)
Die Hyänen begleiten uns. Am Abendhimmel fette Geier (Aegypius monachus und Neophoron percnopterus). Biwak an einem Flußbett, in dem vom letzten Regen einige Pfützen stehen. Sonst ist alles steinig und sandig, und die Bäume und Büsche am Ufer stehen dürr und gesanglos. Und doch soll unter diesem sandigen Flußbett Wasser fließen. Das Wasser zieht sich in größere Tiefen zurück wie die Freude. Man müßte unterirdische Dämme bauen, Stauseen anlegen, die so vor dem Verdunsten geschützt wären, das Wasser langsam wieder nach oben drängten, verhinderten, daß es nutzlos nach den plötzlichen Güssen ins Meer abläuft, und dieses Land könnte der Garten Eden werden. W. sagt, wir stehen auf der falschen Seite.
Nachtrag: Wir standen hinter dem Unteroffizier.
Mit dem anderen Gefangenen hatten sich drei Schutztruppenreiter fotografieren lassen (vermutlich diejenigen, die ihn gefangengenommen hatten). Sie haben ihn in die Mitte genommen (zwei rechts, einer links), aber doch mit einem deutlichen Abstand: ein in europäische Lumpen gekleideter Junge. (Er soll, als man ihn aufgriff, eine Schrotflinte getragen haben.) Die drei stützen sich auf ihre Gewehre, und einer grinst unter seiner Hutkrempe, wie man deutlich erkennen kann. Sie werden dem Jungen, dem die Stricke ins Arm- und Beinfleisch schneiden, gesagt haben, daß er sich ganz ruhig halten müsse. Ein Foto für zu Hause.
Danach wurden ihm die Stricke durchgeschnitten, und einer rief ihm zu: Lauf! Er aber blieb stehen. Erst als man ihm lachend zuwinkte, endlich wegzulaufen, ging er vorsichtig einige Schritte, drehte sich nochmals um, lief dann weiter, bis er von drei Schüssen getroffen zusammenbrach. Er soll noch ein Stück weitergekrochen sein, erzählte später jemand.
Rittmeister von Tresckow hatte sein Pferd in dem Gefecht bei Naris durch zwei Schüsse verloren. Als Ersatzpferd suchte er sich einen etwas knochigen, aber gutgebauten Rappen aus, der zu Beginn des Aufstandes mit einem Pferdetransport aus der Kapkolonie gekommen war. Ein gut eingerittenes Pferd, wie der Wachtmeister versicherte.
Der Bursche des Rittmeisters bringt das Pferd, und Tresckow versucht sogleich aufzusteigen, aber das Pferd schlägt aus, steigt und gebärdet sich wie toll. Der Rittmeister fällt zu Boden und, was einem Kavalleristen nie passieren darf, er verliert den Zügel aus der Hand. Das Pferd läßt sich dann aber ganz zahm von einem Reiter einfangen, der es wieder zurückführt. Mehrere Reiter halten das Pferd, als Tresckow den zweiten Anlauf nimmt. Er kommt glücklich in den Sattel, kann sich auch einige Minuten oben halten, bis sich das Pferd wie rasend zu Boden wirft. Tresckow kann gerade noch aus dem Sattel kommen. Inzwischen hat sich ein großer Kreis Neugieriger gebildet, die den Kampf zwischen Rittmeister und Pferd beobachten. Das Pferd hat sich wieder erhoben, Schaumballen vor dem Maul, und weicht, als Tresckow es am
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