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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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neigen. Klügge, der früher sparsam, ja asketisch gelebt hatte, gönnte sich jetzt kubanische Zigarren und echten schottischen Whisky, allerdings nicht allzuoft, da Morris auch von ihm den gleichen überhöhten Preis verlangte wie von den Hottentotten.
    Klügges Gaumen bestätigte die Richtigkeit der Theorie von Morris, das ganze Windhuk tat es; das Sündenbabel, wie es der nörgelnde Missionar Kleinschmidt jetzt nannte, nahm einen erstaunlichen Aufschwung. Der von Morris mitgebrachte Schmied reparierte kostenlos Gewehre und unterwies die Hottentotten im Gießen von Bleikugeln. Die Frau von Missionar Haddy, die in London als Krankenpflegerin ausgebildet worden war, verband die bei den Überfällen auf die Herero-Herden Verwundeten, und Missionar Haddy geleitete die Gefallenen zur letzten Ruhe, während Thompson den Bi-Ba-Butzemann spielte. Jonker trug sich mit dem Gedanken, ein großes Hottentottenreich zu schaffen, die vielen kleinen Stämme zu vereinen, um so gestärkt die Herero zu unterwerfen und ihre guten Weidegründe zu erobern. Morris, der ihn in diesen Plänen unterstützte, gab ihm den Ehrentitel: der braune Napoleon.
    Vor allem aber mußte verhindert werden, daß Händler zu den Herero fuhren und diese mit Gewehren belieferten. Als man einen Buren bei dem Versuch ertappte, wurden ihm die gesamten Waren und das Gespann abgenommen; er selbst wurde barfuß ausgesetzt mit dem Befehl, zur Kapkolonie zurückzulaufen. Ob er die je erreicht hat, konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden.
    Und dann kam jener denkwürdige Tag, an dem an allen wilden Rosinenbüschen in der Umgebung Windhuks weiße Stoffläppchen flatterten. Ein ahnungsloser Herero, der wie gewöhnlich ein paar der weißen Beeren, die wie Rosinen schmecken, pflücken wollte, wurde dabei von den Leuten Jonkers ertappt, gebunden, nach Windhuk geschleppt und dort öffentlich ausgepeitscht. An den wilden Rosinen, genährt von dem steinigen Boden, getränkt von dem seltenen Regen, hatten sich bisher alle laben können, ob Mensch, Antilope oder Sperling, und plötzlich waren die Büsche mit einem angebundenen Stoffläppchen unter Beschlag genommen. Ahnungslose Bergdamara, die wie gewöhnlich den Honig wilder Bienen aus hohlen Baumstämmen holen wollten, fanden diese von Posten bewacht, die ihre Gewehre ölten. Ein Damara, der nachts heranschlich und einen Bienenschwarm auszuräuchern versuchte, wurde gestellt und vor dem Baum erschossen.
    Missionar Haddy hatte ein Verfahren entwickelt, wie man aus Honig und Zucker mit einem Zusatz wilder Rosinen ein süffiges, stark berauschendes Bier gewinnen konnte. Es hatte sich nämlich sehr bald gezeigt, daß die Branntweinlieferungen bei der langen Transportzeit weit hinter dem Bedarf zurückblieben. Es gab Tage, sogar Wochen, in denen ganz Windhuk in einer beunruhigenden Weise stocknüchtern war. Es kam zu Tätlichkeiten. Dem ahnungslosen Thompson kroch, als er wie gewöhnlich den Bi-Ba-Butzemann spielen wollte, ein schwarzer Skorpion aus der Ziehharmonika. Während des Gottesdienstes wurden Zwischenfragen gestellt, als Haddy eine Stelle aus den Römern las: Laßt uns ehrbarlich wandeln, als am Tage; nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid. Er mußte sich fragen lassen, warum er ausgerechnet jetzt, da kein Branntwein zur Stelle wäre, diesen Abschnitt ausgewählt habe, warum er ausgerechnet jetzt etwas gegen Saufen und Fressen habe und was er mit Neid und Hader meine, ob das eine Anspielung auf die Viehdiebstähle sei. Schließlich erschien Jonker bei Morris, ebenfalls in einem unerfreulich nüchternen Zustand, und sagte: Ich zahle dir viel mehr für deine Sachen als sie bedeuten!
    Morris sagte: Das versteh ich nicht. Mach mir das klar.
    Laß sechzehn Hosen aus deinem Laden bringen, sagte Jonker.
    Vor dem Haus stand ein Ochsenwagen. Die Zugochsen waren zum Weiden vor den Ort getrieben worden. Vor der Deichsel lag geradegerichtet der lange, aus Leder geflochtene Zugriemen mit den acht Jochen auf dem Weg, damit vor der nahen Abfahrt die Zugochsen nach Gewohnheit ihre Plätze fänden. Jonker wies seine Begleiter an, hinter jedes Joch, rechts und links vom Zugriemen bis zu der Stelle, wo die Vorochsen gehen, die von den Tauleitern geführt werden, je eine Hose zu legen. Dann nahm Jonker selbst die Peitsche in die Hand, stieß einen Anruf zum Ziehen aus, und schlug Hose für Hose mit der schweren Peitsche. Er rief lauter, er schlug kräftiger, er machte das Gesicht, das

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