Morenga
der angesoffene Klügge ihr in den Hintern und brüllte: Verschwinde, du Hure.
Zu seiner Überraschung fand sich aber, ganz gegen die Gewohnheit der so freundlich offenen Mädchen, keine, die mit ihm schlafen wollte, es sei denn gegen eine Handvoll Zucker. Erst jetzt hörte Klügge, daß alle Weißen schon seit Wochen ihre Frauen mit Zucker bezahlen mußten, ja, vor drei Tagen erst war die Zuckermenge heraufgesetzt worden. Früher konnte man noch für einen Eßlöffel Zucker eine Frau für eine Nacht bekommen, jetzt wurde einem für einen Eßlöffel nur noch in die Hose gegriffen und schnell einer mit der Hand runtergeholt.
Nach einem Monat ließ Klügge sich, nachdem er sich zunächst trotzig enttäuscht zurückgezogen hatte, einige Kilo Zucker von Morris auf seinen Gewinnanteil anrechnen. Der Preis war enorm. Klügge sagte das auch Morris. Der hob hilflos die Hände und sagte: die Nachfrage sei sprunghaft gestiegen in der letzten Zeit, und schließlich trage er, Morris, mit seinem Kapital auch das Risiko. Klügge nahm sich vor, wenn sie nach Kapstadt kämen, sogleich die Schriften von Adam Smith zu lesen.
In dieser Zeit erreichten Morris zwei Briefe, die in der Kerbe eines langen Steckens, den ein Bote in der Hand trug, steckten. Morris prüfte die Briefe. Die Siegel waren unbeschädigt. Morris zog sich in sein Haus zurück, während sich draußen, trotz der stechenden Mittagssonne, langsam der ganze Ort versammelte. Dann, nach Stunden, kam Morris aus dem Haus, und Klügge glaubte zu erkennen, daß sich in Morris’ Gesicht etwas verändert hatte. In diesem sommersprossig runden Gesicht war ein Zug von lächelnder Entschlossenheit. Alles sah gespannt auf Morris, aber der ging schweigend zu einem Feuer und verbrannte die beiden Briefe, zerrieb dann mit dem Stiefel das verkohlte Papier. Enttäuscht lief die Menge auseinander. Der eine Brief, hatte man erfahren, sei aus Kapstadt gekommen, der andere von der Insel St. Helena.
Abends erzählte man sich, der Gouverneur in Kapstadt wolle das Land besetzen lassen. Soldaten kämen mit einer großen Kanone über den Oranje, Alkohol solle verboten werden, ein großes Schiff mit Zucker käme von der Insel nach Walvisbaai, der Pulverhandel solle überwacht, die Händler bestraft werden.
Am nächsten Morgen rief Morris Klügge zu sich und befahl ihm, alle Außenstände von Jonker und dem Stamm zusammenzustellen. Klügge arbeitete den Tag und die Nacht durch, als es draußen dämmerte, hatte er alle Posten aufgestellt. Am frühen Morgen ging Morris zu Jonker, der, auf seinem Lager sitzend, gerade aufgewacht war, wie man an seinen flatternden Händen sehen konnte, die ruhig wurden, nachdem er drei Gläser Branntwein getrunken hatte. Early to bed, and early to rise makes a man healthy, wealthy and wise, sagte Morris mit einer brüllend guten Laune, die er immer am frühen Morgen zeigte. Morris forderte die sofortige Begleichung der Schulden, die, wie er Jonker auf dem Papier zeigte, gut dreitausend Rinder betrug. Er müsse die Rinder gleich haben, da schon bald in Walvisbaai die »Blume von Yarrow« erwartet würde, die mit achthundert Rindern nach St. Helena segeln solle, die anderen Rinder müsse er zur Zahlung seiner Außenstände nach Kapstadt treiben.
Jonker sagte, so viele Rinder habe der Stamm nie besessen.
Morris verwies ungerührt auf die riesigen Rinderherden der Herero. Man müsse eben einen der Oberhäuptlinge überfallen, nicht die kleinen Herden plündern.
So kam es zu dem großen Rinderkrieg. Jonker überfiel den reichen Hererohäuptling Kahena, ließ Hirten und Wächter niederschießen und trieb über viertausend Rinder ab. Achthundert Rinder wurden sogleich ausgeschieden und nach Walvisbaai getrieben, über tausend Rinder wurden nach Kapstadt abgetrieben. Morris erklärte seinen überraschten Leuten, daß er das Lager und Magazin hier auflösen und nach Kapstadt zurückkehren wolle, jeder, der möge, könne aber hierbleiben. Als Klügge ihn unter vier Augen fragte, warum er ausgerechnet jetzt, wo die Geschäfte so glänzend anliefen, nicht bleibe, gab Morris zur Antwort: Das Pflaster werde ihm hier zu heiß. Die Herero und Hottentotten werden sich bald gegenseitig abschlachten.
Erst später, in Kapstadt, erfuhr Klügge den wirklichen Grund für die überstürzte Abreise von Morris. Morris hatte von einem Geschäftsfreund einen Wink bekommen: Die Kapregierung wolle, nach massivem Protest einheimischer weißer Farmer, den billigen Rinderhandel aus dem
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