Morenga
Namaland unterbinden. Als Vorwand dafür dienten die Berichte in den Zeitungen von den kriegerischen Unruhen in dem Land, die man ihm, Morris, zur Last legte. Auf St. Helena aber war mit einer größeren Aufzucht von Hererorindern begonnen worden. Auch an diesem Projekt war Morris finanziell beteiligt.
Klügge hatte sich, nachdem ihm sein Anteil, abzüglich einer beträchtlichen Summe für Luxusgüter, insbesondere aber für mehrere Doppelzentner Zucker, ausbezahlt worden war, wieder selbständig gemacht und zog in den folgenden Jahren als Händler mit einem Ochsenwagen durch das südliche Afrika, einem Kramladen, wie Morris das verächtlich nannte. Klügge sparte eisern, bis er das Geld für den Bau des Fasses zusammenhatte, nach dessen Fertigstellung er dann auch, wie erleichtert, wieder aufrechter gehen konnte.
Seit Tagen stand das Faß jetzt unter seinem Sonnensegel vor dem Missionshaus. Die Zeit hatte Klügge sich damit vertrieben, mit der Missionarin Dame zu spielen und sich mehrmals am Tag zu waschen. Einige Male war Klügge demonstrativ zum Faß gegangen, hatte mit dem ersten Schlüssel den Mechanismus des Tellereisens entriegelt, mit dem zweiten die Dichtung aufgeschlossen und sich bedächtig einen Becher Branntwein abgezapft, den er dann, von vielen durstigen Augen beobachtet, genüßlich austrank. Aber in solchen Augenblicken tauchte immer Missionar Kreft, dessen Frau oder der asketische Häuptling David Christian auf. Diese Leute, das sah Klügge, standen im Durst, es kam nur darauf an, wer den ersten erlösenden Schluck nahm. Bot Klügge einem der herumstehenden Hottentotten einen Becher an, wich der sofort mit einem scheu-schnellen Blick auf den Missionar zurück, als sei Klügge der Gottseibeiuns.
Klügge hatte sich schon überlegt, ob er nicht einfach weiterziehen sollte, aber bei den anderen Stämmen weiter nördlich gab es, wie man ihm erzählt hatte, mehrere Händler, und außerdem lagerten hier Tausende von Straußenfedern, die im Augenblick Höchstpreise in Kapstadt erzielten. Zurück konnte er nicht mehr. Er mußte hier in Bethanien ins Geschäft kommen. Aber was er auch unternahm – allabendlich spielte er Ziehharmonika (er hatte sogar Unterricht genommen) –, nichts konnte diesen freudlos verkrampften Stamm aus seiner Starre lösen.
Kreft war für mehrere Tage zu einer Siedlung gegangen, die, in der Nähe von Bethanien gelegen, von ihm seelsorgerisch betreut wurde. Am ersten Abend seiner Abreise saß Klügge mit der Frau des Missionars im Wohnzimmer des Missionshauses und spielte Dame, während langsam die eisige Kälte der Nacht über den gestampften Lehmboden hereinkroch. Sabine Kreft, eingehüllt in einen dicken Wollschal, saß mit glühenden Wangen über das Damebrett gebeugt und hatte einen feuchten Glanz in den Augen. Seit zwei Tagen hatte sie eine fiebrige Erkältung. Klügge erzählte von seinen Reisen ins Landesinnere. Wie ihn einmal ein alter Elefantenbulle angegriffen habe, er sich auf einen großen Baum retten konnte, der Elefantenbulle daraufhin den Ochsenwagen umgeworfen habe und auf den Töpfen, Pfannen, Anzügen und Gewehren herumgetrampelt sei, während er mit maßloser Wut vom Baum aus zusehen mußte. Der Elefant habe dann noch versucht, den Baum umzureißen, was ihm aber nicht gelungen sei. Wie einmal bei einem wahrhaft alttestamentarischen Unwetter ein Blitz in das Horn eines Vorderochsen eingeschlagen sei und wie eine glühende Schlange die Jochkette entlanggefahren und in die Zugkette übergesprungen sei, wobei rechts und links die Ochsen tot umgefallen seien. Rotglühend sei der Blitz unter seinen Füßen in der Deichsel verschwunden, von dort auf die schwere Eisenfelge des rechten Rades übergesprungen, die durchschmolzen abfiel, dabei sei das Rad zerborsten und der Wagen schließlich, nach vorn gekippt, hängengeblieben. Vor ihm, säuberlich ausgerichtet, lagen zwanzig tote Ochsen im Geschirr. Sabine Kreft hatte Klügge mit ihren ständig lächelnden, jetzt fiebrigen Augen angesehen und immer wieder: Ja, ah ja, gesagt, bis sie ein Frösteln durchlief. Klügge war aufgestanden und hatte eine Flasche Jamaikarum (weißen) geholt. Das hilft, sagte er, ein Grog, das treibt das Fieber aus. Aber um Gottes willen, erzählen Sie meinem Mann nichts, sagte Sabine Kreft, das heiße Grogglas mit den Händen umfassend, denn für meinen Mann ist der Alkohol des Teufels. Klügge lachte sein glucksendes Lachen, und zu diesem Zeitpunkt – es war das dritte Glas – lachte auch
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