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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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durchging, sagte der: Keine Glasperlen, kein Sackleinen, überhaupt keinen Tand. Klügge solle französische Sonnenschirme einkaufen, perlmutterne Operngläser, japanische Seide, Zigarren aus Sumatra, Jamaikarum, brasilianischen Plattentabak, von der schweren gesüßten Sorte, und italienische Schnürstiefel für die Frauen. Alles erste Qualität. Ihm läge nicht daran, die Wilden übers Ohr zu hauen, sondern er wolle ihren Geschäftssinn wecken. Die Leute müßten erst auf den Geschmack gebracht werden. Gebrauchsgegenstände seien gut, aber es komme nicht allein darauf an, den Sinn für Brauchbarkeit zu wecken, sondern auch für Schönheit. Wer allein brauchbare Dinge zu schätzen lerne, bei dem bestehe immer die Gefahr, daß er genügsam, ja asketisch werde, und das sei, von einem volkswirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, ein Hemmnis. Ein Aspekt, den man vergeblich bei Adam Smith suche. Ein Aspekt, dessen Bedeutung ihm erst hier in Afrika eingefallen sei. Es müsse etwas Wollüstiges an den Dingen sein, sonst könne sich dieser Markt nicht voll entfalten. Ein Angebot exquisiter Waren verhindere außerdem die Konkurrenz dieser kleinen Kramhändler, die mit ihren Töpfen, Säcken und Pferdedecken überall auftauchten wie die Fliegen am Aas, wo sie ein größeres Geschäft witterten. Als habe er schon diesen Verwesungsgeruch in der Nase, verzog Morris angeekelt das Gesicht.
    Drei Monate später, am Ostersonntag, konnte man die Frau des Häuptlings Jonker Afrikaner beobachten, wie sie, in der rechten Hand einen Sonnenschirm, mit der linken ihr Rüschenkleid raffend, in zierlichen Sprüngen mit ihren eleganten Schnürstiefeln über die Pfützen sprang, die vom letzten Regenschauer stehengeblieben waren.
    Zwei ausgewachsene Ochsen lösten sich gerade in blauen Dunst auf. Jonkers Hand hielt eine der sechs Sumatra-Zigarren aus dem kleinen Holzkästchen, das neben ihm auf einem Tischchen stand. Jonkers Großtante schritt vorbei, eingehüllt in eine Duftwolke von französischem Rosenöl. Vergeblich versuchte sie, die ihr nachlaufenden Ziegenböcke durch Tritte von sich fernzuhalten.
    Schon am Nachmittag hörte man den ausgebildeten Baß von Bill Thompson, der mit seiner Ziehharmonika zum Tanz aufspielte, während Morris auf Pump Branntwein ausschenken ließ. Klügge verstand jetzt plötzlich, was ihm bisher nie in den Kopf wollte, warum Morris ausgerechnet diesen Thompson als Kommis mitgenommen hatte, der doch kaum bis drei zählen konnte. Thompson spielte: Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann in unserm Kreis herum, dideldum. Es war schnell das Lieblingslied des Stammes geworden. Man tanzte, trank und sang bis in die Nacht.
    Klein Paris nannte der griesgrämig nörgelnde deutsche Missionar Kleinschmidt Windhuk, das er nach wenigen Tagen verließ, ohne sich von Klügge, seinem Landsmann, verabschiedet zu haben. Die Missionsarbeit übernahm Missionar Haddy von der wesleyanischen Missionsgesellschaft, den Morris mitgebracht hatte. Haddy, genannt die Glühnase, war ein kenntnisreicher Squaretänzer, der zu Thompsons Ziehharmonika den Mädchen die verschiedenen Wechsel beibrachte, die Hand unter ihren Brüsten. Handel und Wandel, predigte Haddy am Ostersonntag, seien gottgefällig, so müsse man die Auslegung der Gebote durch Moses verstehen: Rechte Wage, rechte Pfunde, rechte Scheffel, rechte Kannen sollen bei euch sein. Reichtum sei ein Zeichen, daß Gott mit Wohlgefallen den Lebenswandel beobachte. Machet euch die Erde untertan. Jonker und seine Männer bezogen das auf die Weidegebiete der Herero.
    Morris hatte wirklich an alles gedacht: dieser Haddy war Goldes wert. Zwei Monate nach der Ankunft ließ Morris die ersten achthundert Rinder nach Kimberley treiben, vierzehn Tage darauf sechshundert nach Walvisbaai, wo sie auf ein Schiff verladen und nach St. Helena gebracht wurden. Klügge, der für Morris das Hauptbuch führte, konnte nach Abzug der Transportkosten einen Gewinn von über 2000% verbuchen. Das Hauptbuch ist die Bibel des Kaufmanns, erklärte Klügge dem wißbegierigen Jonker.
    In dieser Zeit begann die äußerliche Veränderung Klügges. Er, der bisher ungewöhnlich dünn gewesen war, ging in die Breite, seine Schultern schienen zu wachsen, sein Kopf, das Geschwür war abgeheilt, nahm die Form einer Birne an, besonders auffällig aber war dieser tonnenartige Hintern, sein Gang, früher schlacksig, wurde jetzt stampfend, und er begann, was sich von Jahr zu Jahr verstärken sollte, seinen Oberkörper nach vorn zu

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