Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel
nach.
»Das Feuer bringt eine gewisse Gefahr«, sagte er zu Morgaine und betrachtete sie eingehend durch das kleine Feuer. »Vielleicht halten sich Männer in der Nähe auf, die die Flammen sehen oder den Rauch riechen – und die Bewohner dieser Wälder sind einander nicht freundlich gesonnen. Ich hätte keine Lust auf solchen Besuch und würde sagen, wir sollten das Feuer klein halten und bald wieder ausgehen lassen.«
Sie öffnete die Hand. Im vagen Licht sah er ein schwarzschimmerndes Gebilde, seltsam plump und häßlich. Er war davon angewidert, ohne zu wissen, warum. Ihm war lediglich klar, daß es nicht von bekannten Händen geformt sein konnte – es hatte eine häßliche Aura. »Dies reicht für Räuber und Ungeheuer«, sagte sie. »Außerdem glaube ich, daß du mit Schwert und Bogen umzugehen verstehst. Ohne diese Talente überleben
ilinin
nicht lange.«
Er nickte stumm.
»Hol deine Sachen«, forderte sie ihn auf.
Er gehorchte, dann räumte er Schnee von dem großen Baum und legte alles, was unter der Feuchtigkeit leiden konnte, auf den Stamm. Sie begann aus dem fast steifgefrorenen Fleisch eine Mahlzeit zu bereiten, während er den armen Pferden ein wenig von dem restlichen Korn austeilte. Die Tiere stießen ihn in die Rippen und forderten verzweifelt den Rest; er aber versteinte sein Herz gegenüber dieser Bitte und saß schließlich bekümmert und appetitlos vor dem guten Fleisch, das Morgaine ihm anbot. Er war ein Kursh, konnte aber nicht essen, wenn seine Tiere darben mußten. Ein Mann wurde nach seinen Pferden und ihrer Tüchtigkeit beurteilt; und hätten sie ebenfalls Fleisch gegessen, hätte er den Tieren freudig seinen Anteil überlassen.
Schließlich setzte er sich mürrisch ans Feuer und bewegte die steifer werdende Hand, der die Kälte zu schaffen machte. »Wir müssen bis morgen tiefer ins Tal«, sagte er, »selbst wenn uns das auf gefährliche Straßen führt. Wir haben nur noch Futter für einen Tag. Die Pferde können sich nicht durch solche Verwehungen arbeiten und dabei hungrig bleiben. Wenn wir so weiter machen, überleben sie den Ritt nicht.«
Sie nickte. »Wir sind auf einer kurzen Straße«, sagte sie. »Lady, ich kenne diesen Weg nicht, dabei bin ich die Strecke zwischen Morija und der Koris-Grenze nach Erd schon mehrfach geritten.«
»Diese Straße kenne ich gut«, sagte sie und blickte zum bewölkten Himmel empor; die Tannenwipfel zeichneten sich schwarz vor dem verhüllten Mond ab. »Damals war sie allerdings weniger bewachsen.«
Er machte eine Bewegung, die ihn vor dem Bösen schützen sollte – ein automatischer Reflex. Er nahm an, daß sie erzürnt sein würde. Statt dessen senkte sie nur kurz den Blick, als wiche sie einer Antwort aus.
»Wohin reiten wir?« fragte er. »Suchen wir nach etwas?«
»Nein«, sagte sie. »Ich weiß, wo unser Ziel liegt.«
»Lady«, sagte er, denn sie schien wieder einmal längere Zeit schweigen zu wollen, wie es ihre Angewohnheit war. Er machte eine feierliche Verbeugung. Noch ein Tag in Ungewißheit war zuviel. »Lady, wohin? Wohin ziehen wir?«
»Nach Ivrel.« Und als er entsetzt den Mund öffnen wollte, um gegen diesen Wahnsinn zu protestieren, fuhr sie fort: »Ich habe dir noch nicht gesagt, welchen Dienst ich von dir verlange.«
»Nein«, sagte er.
»Höre denn,
ilin.
Du sollst den Hjemur-Lord Thiye töten und seine Zitadelle vernichten, wenn ich sterbe.«
Ein Lachen kam über seine Lippen, wurde zu einem Schluchzen.
Dies war das Versprechen, das sie den sechs Lords gegeben hatten. Zehntausend Männer waren bei dem Versuch umgekommen, und viele vermuteten, sie sei niemals verfeindet gewesen mit Thiye von Hjemur, sondern vielmehr sein Freund, eine Hexenhelferin, bestrebt, die Mittelländer zu vernichten.
»Ah, ich begleite dich ja«, sagte sie. »Ich verlange nicht, daß du es allein tust, doch wenn ich untergehe, soll das dein Dienst für mich sein.«
»Warum?« fragte er knapp. »Aus Rache? Was habe ich dir angetan, Lady?«
»Ich war gekommen, die Tore zu versiegeln«, sagte sie, »und wenn ich untergehen sollte, so ist das der Weg, es zu tun. Ich glaube nicht, daß ich dir mehr dazu sagen könnte. Nimm meine Waffen und versuch das Herz von Hjemurs Burg zu treffen: das würde zum Ziel führen, wie ich es nicht besser vermöchte.«
»Wenn du die Tore zerstören willst«, sagte er verbittert, denn er glaubte ihr nicht, »dann hättest du an Aenor-Pywns Feuern den Anfang machen können, aber du bist vorbeigeritten.«
»Es
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