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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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verschwinden.«
    »Schlaf!« sagte sie. »Heute nacht können wir sowieso nichts tun. Der Palast ist aufgescheucht wie ein Bienenschwarm.«
    Er kehrte zu seiner elenden Lagerstatt am Feuer zurück und döste nach kurzer Zeit ein.
    Etwas kratzte an der Tür. Obwohl das Geräusch sehr leise war, wirkte es in der Stille unheimlich. Das Kratzen nahm kein Ende. Vanye setzte an, Morgaine zu wecken, doch er hatte sie schon einmal gestört und wollte ihre Geduld nicht auf die Probe stellen. So griff er nach seinem Schwert – angstvoll und gleichzeitig verlegen, wegen seiner Furcht: vermutlich waren es nur Ratten.
    Dann sah er, wie langsam der Riegel gehoben wurde. Die Tür wurde behutsam geöffnet. Vanye richtete sich auf, Morgaine erwachte und griff nach ihrer Waffe.
    »Lady«, ertönte ein Flüstern. »Hier spricht Liell. Laß mich eintreten. Schnell!«
    Morgaine nickte. Vanye rückte den Stuhl zur Seite; Liell trat leise ein und schloß die Tür hinter sich. Er trug einen Umhang, als wollte er auf Reisen gehen.
    »Ich habe Proviant für euch und einen freien Weg zu den Ställen«, sagte er. »Kommt. Ihr müßt mitkommen! Eine zweite Chance bekommt ihr vielleicht nicht.«
    Vanye blickte Morgaine an, machte Anstalten, Liells Bitte Nachdruck zu verleihen. Sie runzelte die Stirn und nickte dann plötzlich. »Was riskierst du mit diesem Verrat, Chya Liell?«
    »Wenn ich erwischt werde, kostet es mich den Kopf. Und ich verliere diese Burg als Wohnstatt, wenn Kasedres Klan dich angreift, was ich beinahe befürchte, ob der Lord es nun will oder nicht. Komm, Lady, komm! Ich führe dich von hier fort. Alle sind still, auch die Wächter. Ich habe Kasedre
melorne
in den Schlaftrunk getan. Er erwacht bestimmt nicht, und die anderen ahnen nichts. Kommt!«
    Nichts rührte sich im Korridor. Langsam schritten sie die Treppe hinab, immer tiefer, Wende um Wende, bis zum Erdgeschoß. Vor einer Tür saß ein Wächter auf einem Stuhl, den Kopf auf die Brust gesenkt. Seine Haltung machte Vanye stutzig: die rechte Hand hing unnatürlich herab.
    Ebenfalls betäubt, dachte Vanye. Trotzdem gingen sie auf Zehenspitzen an dem Mann vorbei.
    Dann sah Vanye den Fleck auf der Brust des Mannes – auf dem dunklen Stoff kaum zu sehen. Sein Mißtrauen flackerte auf. Daß hier ein Mann so beiläufig getötet worden war, ließ ihn frösteln.
    »Deine Arbeit?« flüsterte er Liell zu, daß Morgaine es hören konnte. Er wußte nicht, wen er damit warnen wollte, er hatte lediglich Angst und hielt es für gut, daß Liell, sollte er unschuldig sein, diese Tatsache jetzt offenbarte.
    »Beeilung«, sagte Liell und öffnete die große Tür einen Spalt breit. Sie standen im vorderen Hof, über dem ein großer immergrüner Baum dunkle Schatten warf. »Hier geht es zu den Ställen. Es ist alles bereit.«
    Sie hielten sich in der Dunkelheit und liefen los. Vor der Stalltür lagen weitere Tote.
    Plötzlich wurde Vanye bewußt, daß Liell sich ja gegen jede Mordanklage mühelos verteidigen konnte: man würde sie, die Besucher, bezichtigen, die Männer getötet zu haben.
    Wenn sie sich zu gehen weigerten, steckte Liell in der Klemme. Er hatte viel riskiert – es sei denn, ein Mord war in dieser Burg der Wahnsinnigen nur eine Kleinigkeit.
    Er unterdrückte die schlimmen Gedanken. Er sehnte sich danach, von Leths Mauern fortzukommen. Der schnelle Stoß einer vertrauten samtenen Nase aus der Dunkelheit, der scharfe Duft nach Heu, Leder und Pferden reinigte seine Lungen von dem lähmenden Gestank des Verfalls der Leth-Burg. Er machte seine kastanienbraune Stute fertig, schwang sich hinauf, währejid Morgaine die Drachenklinge wie gewohnt an ihrem Sattel festmachte und Siptah bestieg.
    Dann sah er Liell ein drittes Pferd aus den Schatten führen, ebenfalls gesattelt.
    »Ich geleite euch bis an die Grenze des Lethgebiets«, sagte er. »Niemand hier stellt meine Bewegungsfreiheit in Frage. Manchmal bin ich hier und manchmal nicht: im Augenblick halte ich es für das beste, mich nicht hier aufzuhalten.«
    Doch als sie leise durch den Hof ritten, huschte ihnen ein Schatten aus dem Weg, ein kleiner, doppelter Schatten. Winzige Füße hallten über die Steine des Mauergangs.
    Liell fluchte. Die Zwillinge.
    »Reitet«, sagte er. »Wir können die Flucht nicht mehr geheimhalten.«
    Sie gaben den Pferden die Sporen und erreichten das Tor. Hier hockten ebenfalls Tote, drei Wächter. Liell gab Vanye den Befehl, sich um das Tor zu kümmern. Vanye sprang ab, hob den Sperriegel, drückte

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