Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
Irien.
    Es war ein breites Tal, ein hübsches Panorama. Sie verhielten am Rand der weiten Senke, und Vanye wußte nicht genau, ob dies nun der Ort war. Aber dann erkannte er, daß die gegenüberliegende Flanke in den Hang Ivrels überging und daß sich tief unten eine kahle Stelle befand. Sie waren noch zu weit entfernt, um Details wie einzelne Stehende Steine auszumachen, aber er nahm an, daß so etwas in der Mitte der Erscheinung zu finden war.
    Morgaine sprang von Siptahs Rücken und nahm sich die Zeit,
Wechselbalg vom
Sattel zu lösen, woraus er schloß, daß sie einen längeren Aufenthalt plante. Er stieg ebenfalls ab. Als sie aber kehrtmachte und sich ein Stück am Hang entfernte, nahm er nicht an, daß er ihr folgen durfte. Er setzte sich auf einen großen Stein und wartete, den Blick in die Tiefe des Tals gerichtet. Er stellte sich die vielen tausend Männer vor, die dort hinabgeritten waren an einem jener grauen Frühlingsvormittage, die die Täler mit Nebel füllen, er stellte sich vor, wie sich Männer und Pferde wie Gespenster durch den dichten Dunst bewegten, wie die Dunkelheit alles verschluckte, wie die Winde den Nebel wie Rauch in einen Kamin zogen.
    Heute früh jedoch waren da tiefhängende Wolken und eine Wintersonne und tief unten Gras und Bäume. In hundert Jahren hatten sich die Narben, die vielleicht gerissen worden waren, geschlossen, bis man sich nicht mehr vorstellen konnte, was hier geschehen war.
    Morgaine kehrte nicht zurück. Er wartete lange über den Zeitpunkt hinaus, da er sich Sorgen um sie zu machen begann; schließlich faßte er sich ein Herz, stand auf und folgte ihr um die Rundung des Hügels. Erleichtert sah er sie vor sich stehen und ins Tal hinabblicken. Zuerst hätte er sich beinahe nicht getraut, zu ihr zu gehen, dann sagte er sich, daß er wohl müsse, denn sie war nicht ganz bei sich, und es gab Ungeheuer und Menschen in diesen Bergen – Irien war kein Ort zum Alleinsein.
    »Liyo!«
rief er ihr beim Näherkommen zu. Und sie drehte sich um, kam zu ihm und kehrte mit ihm zu der Stelle zurück, an der sie die Pferde zurückgelassen hatten. Dort hängte sie das Schwert an seinen Platz, ergriff Siptahs Zügel und zögerte erneut mit einem Blick ins Tal. »Vanye«, sagte sie. »Vanye, ich bin müde.«
    »Lady?« fragte er und dachte im ersten Augenblick, sie wolle hier eine Rast einlegen, ein Gedanke, der ihm gar nicht gefiel. Dann sah sie ihn an, und er erkannte, daß sie von einer anderen Müdigkeit sprach.
    »Ich habe Angst«, gestand sie ihm, »und ich bin allein, Vanye. Und ich habe keine Ehre mehr und kann keine Menschenleben mehr aufbieten. Hier…« – sie hob die Hand und deutete den Hang hinab – »hier verließ ich sie und ritt um den Rand herum, und von dort drüben…« – sie wies auf einen fernen Punkt jenseits des Tals, wo der Abgrund von einem Felsen überragt wurde und viele Bäume standen – »von der Stelle aus beobachtete ich, wie die Armee unterging. Wir zählten hundert Köpfe, meine Gefährten und ich, und mit den Jahren sind es immer weniger geworden, und jetzt bin ich ganz allein. Ich beginne die
qujal
zu verstehen. Ich beginne sie zu bemitleiden. Wenn das Überleben dermaßen notwendig ist, kann man nicht mehr mutig sein.«
    Allmählich begann er das Entsetzen in ihr zu verstehen, wohl dasselbe intensive Entsetzen, das in Liell tobte, der auch etwas von ihm wollte. Er wünschte keine Wahrheiten mehr von ihr zu hören; solche Wahrheiten lösten nur Alpträume aus, brachten keinen Frieden, forderten seine Vergebung von Dingen, die eigentlich undenkbar waren.
    Erspar mir das,
wollte er sagen.
Ich habe dich in hohem Ansehen gehalten. Mach dies nicht unmöglich.
    Doch er hielt seine Zunge im Zaum.
    »Ich hätte dich töten können, in der Panik«, sagte sie. »Ich gerate schnell in Angst, weißt du. Ich bin nicht vernünftig. Risiken gehe ich nicht mehr ein. Es ist unverantwortlich – daß ich mit der Last, die ich mit mir herumtrage, auch noch Risiken tragen sollte. Ich rede mir ein, das einzig Unsterbliche, das ich vollbracht hätte, ist, dir zu vertrauen, nachdem ich es auf dein Leben abgesehen hatte. Verstehst du, ich habe keinen Raum mehr für Tugenden.«
    »Ich verstehe nichts«, antwortete er.
    »Das will ich auch hoffen.«
    »Was erwartest du von mir?«
    »Daß du deinen Eid hältst.« Sie schwang sich auf Siptahs Rücken, wartete, bis er es ihr nachmachte, und setzte sich in Marsch – nicht in das Tal von Irien, sondern um den oberen Rand,

Weitere Kostenlose Bücher