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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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haben müsse.
    »Andernfalls«, fuhr sie fort, »hätte ich auf meinem Ritt nach Ivrel jetzt einen Begleiter, dem es einzig und allein darauf ankäme, daß ich die Expedition nicht überlebte, ein Begleiter, der warten würde, bis die Nähe des Tors ihm die Möglichkeit eröffnete, mit mir abzurechnen – bei lebendigem Leibe. Ich ließ dich auf einer braunen Stute zurück, Chya Vanye, und danach wähltest du Liells Pferd. Das nahm ich im ersten Augenblick an, als du mir nachrittest, und ich hatte keine Lust auf Liells Gesellschaft. Ich war überrascht, als ich dann dich entdeckte.«
    »Lady!« rief er und streckte die Arme aus, um zu zeigen, daß keine Gefahr von ihnen ausging. »Ich habe dir geschworen… Lady, ich habe dich nicht getäuscht. Gewiß könnte das nicht geschehen, ohne daß ich es wüßte. Ich würde es doch wissen, oder?«
    Ohne ihn aus den Augen zu lassen, ohne eine Sekunde in ihrer Wachsamkeit nachzulassen, stand sie auf und zog sich an die Stelle zurück, an der sie Mantel und Schwert verstaut hatte.
    »Sattle mein Pferd!« befahl sie.
    Er bewegte sich vorsichtig und führte die Anordnung aus, in dem Bewußtsein, daß sie mit der Waffe hinter ihm stand. Als er fertig war, half er ihr auf das Tier, und sie belauerte ihn dabei, selbst in dem Augenblick, da sie sich über den Sattel schwang. Dann zog sie ihr Tier herum und näherte sich dem Schwarzen. Plötzlich erkannte er ihre Absicht; sie wollte das Tier umbringen und ihn zurücklassen, da sie ihn, ihren
ilin,
nicht töten konnte.
    Er warf sich dazwischen, hob in entrüstetem Entsetzen den Kopf; es brachte keine Ehre, so etwas zu tun, den
ilin-Eid
zu mißbrauchen, das Pferd eines Mannes zu töten und ihn hilflos zurückzulassen. Und eine Sekunde lang stand auf ihrem Gesicht ein dermaßen wilder Ausdruck, daß er Angst hatte, sie würde ihre Waffe gegen ihn und das Tier erheben.
    Plötzlich zerrte sie Siptahs Kopf nach Norden herum und galoppierte davon, ihn zurücklassend.
    Eine Sekunde lang starrte er ihr nach, verblüfft, in dem Bewußtsein, daß sie verrückt geworden sein müsse.
    Und er ebenfalls.
    Er fluchte und raffte seine Sachen zusammen, warf den Sattel auf den Schwarzen, zog den Gurt fest, zerrte sich hoch – das Tier wußte inzwischen, daß er zum Grauen gehörte. Das Pferd bedurfte des Ansporns nicht, um sich anzustrengen; es galoppierte hügelabwärts um eine Biegung, durch einen Bach und wieder bergauf, den trabenden Grauen einholend.
    Vanye rechnete jeden Augenblick damit, daß ein Pfeil ihn oder das Pferd treffen würde; Morgaine drehte sich im Sattel um und sah ihn kommen. Aber sie unternahm nichts, sondern zügelte ihr Tier.
    »Ihr seid ein Idiot«, sagte sie, als er aufgeschlossen hatte. Dabei sah sie aus, als hätte sie am liebsten geweint, aber sie tat es nicht. Sie schob ihre schwarze Waffe wieder hinten in den Gürtel, unter den Mantel, und blickte ihn kopfschüttelnd an.
    »Und Ihr seid Kurshin. Niemand sonst könnte so ehrlichblöd sein! Zri wäre auf jeden Fall ausgerückt, es sei denn, er wäre plötzlich mutiger als früher. Wir sind nicht mutig, wir, wie wir dieses Spiel mit den Toren spielen; es gibt zuviel zu verlieren, um sich den Luxus der Tugendhaftigkeit und des Mutes zu leisten. Ich beneide dich, Kurshin, ich beneide jeden, der sich eine solche Geste leisten kann.«
    Vanye preßte die Lippen zusammen. Er kam sich dumm vor und war beschämt in der Erkenntnis, daß sie versucht hatte, ihn zu erschrecken; nichts ergab einen Sinn für ihn – ihre Stimmungen, ihr Mißtrauen ihm gegenüber. Seine Stimme klang brüchig: »Ich bin leicht zu täuschen,
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viel leichter als du; deine einfachsten Tricks verblüffen mich, und so mancher macht mir angst.«
    Sie gönnte ihm keine Antwort.
    Zuweilen musterte sie ihn mit Blicken, die ihm nicht gefielen. Die Atmosphäre zwischen ihnen war vergiftet.
Verschwinde,
sagte der Blick.
Verschwinde, ich halte dich nicht auf.
    Er wollte sie auf keinen Fall gekränkt zurücklassen, außerdem brauchte sie ihn. Es gab Eidbrüche und Eidbrüche; ein
ilin-Band
zu brechen, in einem Augenblick, da sie auf sich selbst aufpassen konnte, war eine schlimme Sache, doch jetzt verhielt sie sich in einer Weise, die ihn überzeugte, daß sie der Vernunft weit entrückt war.
    Am Himmel wurde es hell, es entwickelte sich ein trübsinniger, kalter Morgen. Wolken rollten aus dem Norden herbei.
    Und ziemlich früh am Morgen senkte sich das Land vor ihnen, und die Berge öffneten sich zum Hang von

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