Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
hinaus; er sah den Schwarzen und Siptah gesattelt dort unten stehen, umgeben von Männern.
    Von zwei Wächtern gestützt, wurde Morgaine ins Freie gebracht und auf ihr Pferd gesetzt. Sie hatte kaum die Kraft, sich oben zu halten, und ergriff die Zügel mit einer ungeschickten Geste, die Vanye verriet, daß sie sie fast fallengelassen hätte.
    Zorn wallte in ihm auf, heißer Zorn darüber, daß sie in einem solchen Zustand aus der Burg gejagt wurde. Erij wollte ihren Tod.
    Er zwängte eine Schulter durch die schmale Öffnung und brüllte:
»Liyo!«
Seine Stimme wurde vom beißend kalten Wind davongetragen. Aber sie hob den Kopf, ihre Augen suchten die hochaufragenden Mauern ab.
»Liyo!«
    Sie winkte. Sie sah ihn. Sie wandte sich an die Männer ihrer Umgebung, und aus ihrer Körperhaltung sprach Zorn, während die Männer verlegen reagierten. Sie wandten sich von ihr ab, alle bis auf die Männer, die die Pferde halten mußten.
    Im nächsten Augenblick bekam er Angst um sie, fürchtete, daß sie zu den Waffen greifen und ihrem Leben ein Ende machen würde, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging.
    »Ein Handel ist abgeschlossen!« brüllte er zu ihr hinab. »Du bist frei auf seinen Eid, aber trau ihm nicht,
liyo!«
    Da schien sie ihn zu verstehen. Plötzlich zog sie Siptahs Kopf herum, preßte ihm die Fersen in die Flanken, ließ ihn zum Tor traben, so schnell, daß er schon befürchtete, sie würde an der Biegung vom Tier fallen. Der Schwarze, der einmal Liell gehört hatte, folgte an einem Zügel, der an Siptahs Sattel befestigt war. Auf dem Sattel des Schwarzen war ein Bündel festgemacht – seine Sachen.
    Und noch ein Reiter verließ die Burg, ehe das Tor wieder geschlossen wurde.
    Ryn der Sänger, die Harfe auf dem Rücken, galoppierte auf seinem Pony hinter Morgaine her. Tränen traten Vanye in die Augen, obwohl er nicht wußte warum; er sagte sich hinterher, daß es Zornestränen gewesen sein müßten, Zorn darüber, daß sie einen weiteren Unschuldigen in die Vernichtung lockte – wie zuvor ihn.
    Langsam ließ er sich neben dem Kamin niedersinken, legte den Kopf auf die Arme und versuchte nicht an seine Zukunft zu denken.
    »Vater starb«, sagte Erij, »vor sechs Monaten.« Er streckte die Beine aus vor dem Feuer in seinen sauberen und mit Teppichen ausgelegten Gemächern, die zuvor ihrem Vater gehört hatten, und blickte auf Vanye hinab, der mit untergeschlagenen Beinen auf den Kaminsteinen saß, ein unfreiwilliger Abendgast. Es roch nach Wein. Erij bewegte Kelch und Weinkrug auf dem Tisch zu seiner Linken und bot Vanye mit einer Handbewegung mehr zu trinken an. Dieser lehnte ab.
    »Und du hast ihn umgebracht«, fügte Erij hinzu, als ginge es um einen fernen Verwandten. »Und zwar indem du Kandrys umbrachtest: Vater kam über Kandrys’ Tod nicht hinweg. Er ließ das Zimmer, wie du es gesehen hast. Nichts durfte verändert oder weggenommen werden. Sein Geschirr hängt noch unten im Stall. Das Pferd wurde allerdings freigelassen. Ein gutes Tier, ist jetzt sicher verwildert. Oder den Wölfen zum Opfer gefallen, wer weiß? Außerdem ließ Vater bei den Westwäldern einen großen Hügel aufschütten und begrub dort Kandrys. Mutter konnte nicht mehr vernünftig mit ihm reden. Sie wurde krank – kein Wunder bei seinen Stimmungen – und starb bei einem Treppensturz. Vielleicht hat er sie gestoßen. Er war unausstehlich, wenn ihn wieder einmal der Kummer packte. Nach ihrem Tod gewöhnte er es sich an, stundenlang im Freien zu sitzen, am Rand des Grabhügels. Mutter ist dort auch begraben. Und so starb er dann auch. Es regnete. Wir ritten hinaus, um ihn gegen seinen Willen in die Burg zu holen. Er erkrankte und starb.«
    Vanye blickte ihn nicht an, sondern hörte nur zu; die Stimme seines Bruders war ihm so unangenehm wie die Leih Kasedres. Er hatte dieselbe Art, dieselbe beiläufige Grausamkeit. Schon in der Kindheit war dieser Hang in ihm schrecklich gewesen; als Mann, der Nhi regierte, spielte er noch immer dasselbe Spiel sinnloser Grausamkeit; doch heute wirkte dieser Charakterzug ausgesprochen unnatürlich.
    Erij stieß ihn mit dem Fuß an. »Er hat dir nie verziehen, weißt du das?«
    »Das habe ich auch gar nicht erwartet«, antwortete Vanye, ohne sich umzudrehen.
    »Mir hat er auch nicht verziehen«, fuhr Erij nach kurzem Schweigen fort. »Daß ich nämlich von seinen beiden legitimen Söhnen der Überlebende war. Und daß ich ein Krüppel war. Vater war Perfektionist – in Frauen, in Pferden, in seinen

Weitere Kostenlose Bücher