Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
werden wie der Feind, den du bekämpfst?«
Morgaine wußte keine Antwort, und Vanye verharrte angstvoll, denn Merir erkannte wahrhaft – wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch immerhin einen Teil der Wahrheit. Aber der alte
qhal
seufzte schwer. »Lellin wird euch führen; und unterwegs werden euch andere unterstützen.«
»Und du, mein Lord? Gewiß wirst du nicht untätig verweilen – und darf ich nicht erfahren, wo du dich aufhalten wirst? Es würde mir widerstreben, dir versehentlich zu schaden oder dich deinen Feinden bloßzustellen, nur weil ich nicht Bescheid weiß.«
»Verlaß dich auf Lellin. Wir gehen unseren eigenen Weg.« Er erhob sich steif. »Die Mirrindim zeigten sich erstaunt über deine Fähigkeit des Landkartenzeichnens. Bring die Lampe, junger Vanye, dann will ich euch etwas zeigen, das euch vielleicht weiterhilft.«
Vanye nahm die Lampe vom Haken und folgte dem alten
qhal
zur Zeltwand. Dort hing eine vom Alter mitgenommene Landkarte, und Morgaine sah sich die Eintragungen an.
»Hier liegt Azeroth«, sagte Merir und richtete die Hand auf den großen Kreis in der Mitte. »Shathan ist der gesamte Wald, und der große Narn und seine Nebenläufe versorgen die Dörfer; seht: jedes hat Zugang zum Wasser. Und dies ist ein Marsch von vielen Tagen – Mirrind liegt hier.«
»Solche Kreise können doch keine Laune der Natur sein.«
»Nein. An einigen Orten verdorren die Bäume, obwohl es Wasser gibt; den Rest haben die Menschen gerodet. Und wo sich der Wald gar nicht festsetzen wollte, haben sie Hecken und Dickichte gepflanzt, um das Land zu verändern, damit dort doch einige Bäume wachsen und wilde Tiere ihre Heimat finden. Die Kreise zeigen Ordnung, und die Grenzen zwischen Ackerland und Wald sind auf diese Weise klar gezogen. Unsere Leute können sich unauffällig bewegen – uns gefallen die freien Ebenen nicht, im Gegensatz zu den Menschen, die Ackerbau und Viehzucht treiben. Außerdem... «, fügte er hinzu und legte Vanye die Hand auf die Schulter, »hat diese Ordnung Grenzstreitigkeiten verhindert. Früher ritten die Menschen in großen Horden, wohin es ihnen beliebte, und dann gab es Krieg. Sie brachten uns in Gefahr – aber die Vitalität Shathans ist womöglich noch größer als die des Menschen; sie bekämpften uns mit Feuer, und das war das Schlimmste von allem – solchen Angriffen sind wir immer hilflos ausgesetzt. Aber schließlich wuchs der Wald nach; und die Barrikaden der Hecken wurden durch Menschen gepflegt, die zusammen mit uns Schutz suchten. Wir sind nicht der einzige Wald oder der einzige Ort, wo so gehandelt worden ist, aber wir sind die älteste Region. Es gibt andere Orte, wo die Menschen allein leben und sich bekriegen und Zerstörung anrichten und – an einigen Orten – auch bessere Dinge erzeugen – schönere Dinge.
Auch diese Stämme erfüllen uns mit Hoffnung, doch wir können nicht als ihre Nachbarn leben; wir sind zu zerbrechlich. Wir können sie vor allem nicht an den Ort der Macht vordringen lassen:
der
muß außerhalb ihrer Reichweite bleiben.
Sirrindim,
so nennen wir sie, diese Menschen draußen; es sind Reitersleute, die unsere Wälder meiden. Aber du erkennst, warum ich betroffen bin, Lady Morgaine, daß plötzlich Wesen, die den
sirrindim
ähnlich sind, rings um Azeroth lagern?«
»Nehmin hat wahrhaft Grund zur Sorge – und ich vermute, daß es sich irgendwo ganz in der Nähe von Azeroth befindet, auch wenn ich es hier auf der Karte nicht sehe. Aber der Narn, der Fluß könnte zur Gefahr werden, eine Straße, die die Feinde direkt an euer Herz heranführt.«
»Ja, du erkennst die Gefahren. Der Fluß führt zu sehr an das Land der
sirrindim
heran. Eine Gefahr, die nicht nur Mirrind droht, sondern allen anderen, das wissen wir durchaus. Käme es zum Kampf, wären wir schnell unterlegen und würden aussterben. Die Invasoren müssen in Azeroth festgehalten werden, auf keinen Fall dürfen sie sich einen Weg auf die nördlichen Ebenen bahnen. Von allen Richtungen, die sie hätten einschlagen können, ist das die gefährlichste für uns – und ich nehme an, daß das die Richtung ist, die sie wählen werden, denn du bist hier, und das werden sie bestimmt herausfinden.«
»Ich verstehe, was du meinst.«
»Wir werden sie dort festhalten.« Die Kummerfalten gruben sich tief in das Gesicht des alten
qhal.
»Wir werden aus unserem Volk viele Opfer beklagen müssen, fürchte ich, doch wir werden sie dort festhalten. Uns bleibt keine andere Wahl. Jetzt geht!
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