Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
Geht und schlaft! Morgen früh werdet ihr mit Lellin und Sezar losziehen, und wir wollen hoffen, daß du unser Vertrauen ehrst, Lady Morgaine: ich habe dir viel gezeigt, das uns sehr schaden könnte.«
Voller Respekt vor dem alten
qhal
neigte sie den Kopf. »Gute Nacht, mein Lord«, murmelte sie, machte kehrt und ging. Vanye hängte die Lampe sorgsam an die Kette neben dem Stuhl des alten Lord, damit er gutes Licht hatte, und als der alte
qhal
sich setzte, neigte er ebenfalls den Körper, die volle Unterwerfung, die er auch einem Lord seines eigenen Volks gezeigt hätte, bis die Stirn den Boden berührte.
»Mensch«, sagte Merir leise, »um deinetwillen habe ich deiner Lady geglaubt.«
»Wie kommt das, Lord?« fragte er, denn die Worte verwirrten ihn.
»Dein Verhalten – daß du ihr ergeben bist. Die Eigenliebe steht doch vor allem anderen, so daß
qhal
und Mensch einander nicht vertrauen können. Dieses Böse hat weder dich noch sie befallen. Du dienst ihr, aber nicht aus Angst. Du verhältst dich wie ein Diener, aber du bist mehr als das. Du bist ein Krieger, wie die
sirrindim
und nicht wie die
khemi.
Aber du erweist einem älteren den nötigen Respekt, obwohl er nicht deines Blutes ist. Solche kleinen Dinge zeigen mehr Wahrheit als alle Worte. Deshalb fühle ich mich bewogen, deiner Lady zu vertrauen.«
Die Worte entsetzten Vanye, wußte er doch, daß er ihrer beider Vertrauen enttäuschen würde, und er hatte Angst. Urplötzlich hatte er das Gefühl, der alte Lord könne durch seinen Körper schauen, und er kam sich befleckt und unrein vor.
»Schütze Lellin!« bat ihn der alte
qhal.
»Lord, das will ich tun«, flüsterte er, und zumindest diese Bitte gedachte er zu erfüllen. Tränen brannten ihm in den Augen und schnürten ihm den Hals zu, und ein zweitesmal neigte er sich auf der Matte und richtete sich wieder auf. »Ich danke dir für meine Lady, denn sie war sehr erschöpft, und wir beide waren des Kämpfens müde. Vielen Dank für die Zeit, die du uns geschenkt hast, und für deine Hilfe beim Durchqueren deines Landes. Darf ich jetzt gehen, mein Lord?«
Der alte
qhal
entließ ihn mit einem leise gesprochenen Wort, und er stand auf und verließ das Zelt und suchte in der Dunkelheit Morgaines Zelt auf, das sich am Rande der Versammlung erhob. Das fröhliche Treiben war noch im vollen Gange, die unheimlichen Töne von
qhalur
-Liedern schallten durch den Wald.
»Wir werden beide schlafen«, sagte Morgaine. »Und die Rüstung ist sinnlos. Schlaf tief! Es mag eine Weile dauern, bis wir dazu wieder Gelegenheit haben.«
Er erklärte sich einverstanden und hängte zwischen ihr und sich eine Decke als Vorhang an die Deckenstrebe; erleichtert legte er Rüstung und Kleidung ab, wickelte sich in eine Decke und streckte sich aus, und Morgaine tat es ihm nach, ein kleines Stück entfernt auf den Fellen, die man ihnen als Lager zur Verfügung gestellt hatte. Der notdürftige Vorhang reichte nicht bis zum Boden, und das Licht des Feuers ließ von draußen einen vagen Schein hereindringen. Er sah, daß sie ihn anblickte, den Kopf auf den Arm gelegt.
»Was hat dich bei Merir noch zurückgehalten?«
»Es würde sich seltsam anhören... «
»Ich bitte dich darum.«
»Er... er sagte, er vertraue dir meinetwegen, daß man es sehen müßte, wenn das Böse regierte – zwischen dir und mir; und natürlich halten sie dich für einen der ihren.«
Sie erzeugte ein Geräusch, das ein bitteres, kurzes Lachen sein mochte.
»Liyo,
wir werden dieses Volk in den Ruin treiben.«
»Sei still! Schon in Andurin habe ich nicht über diese Dinge gesprochen; Andurin steckt voller
qhalur
-Leihworte, und ich fühle mich darin nicht sicher. Wer kann außerdem wissen, welchen Dialekt die
sirrindim
sprechen, oder ob nicht irgendein
qhal
unsere Sprache kennt? Denk daran, wenn wir mit Lellin unterwegs sind.«
»Ich werde daran denken.«
»Und du weißt auch, daß ich keine andere Wahl habe, Vanye.«
»Ich weiß. Ich verstehe das.«
Seine Antwort schien sie zu rühren; Bekümmerung lag auf ihrem vage erkennbaren Gesicht.
»Schlaf!« sagte sie und schloß die Augen.
Es war der beste und einzig mögliche Rat.
5
Der Aufbruch ging nicht in aller Heimlichkeit vor sich. Die Pferde wurden vor Merirs Zelt geführt, wo Lellin sich von seinem Großvater und Vater und Mutter und Großonkel verabschiedete – ernste
qhal,
die einen freundlichen Eindruck machten. Seine Eltern schienen zu alt zu sein, um einen so jungen Sohn wie Lellin zu
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