Morganas Wölfe
nicht stöhnten, schrien, bluteten, denn ihnen fehlten tatsächlich Teile ihres Körpers.
»Das Licht ist da!«
Die Worte hatte der im mittleren Bett liegende Mann gesprochen. Er saß aufrecht in seinem Bett, die Augen leuchteten, sein Mund stand offen, aber er sprach nicht mehr. Nur das Fenster war für ihn interessant, wogegen sich der Nebel drückte, aber es war in der Tat heller geworden, als hätte jemand mit einer lichtstarken Lampe in ihn hineingeleuchtet.
Suko schaute den Professor an. »Ich denke, daß es jetzt allmählich losgehen wird.«
»Sie meinen, daß sich die Wölfe zeigen werden?«
»Damit sollten wir rechnen.«
»Aber wie? Doch nicht aus dem Licht…«
Suko gab ihm keine Antwort. Er hatte sich in einen Gang zwischen zwei Betten hineindrückt, kam aber nicht bis direkt an das Fenster heran, weil ihn die Konsole störte. Um das Fenster zu öffnen, mußte er sich nach vorn beugen und zusätzlich den Arm ausstrecken.
Das brauchte er nicht, denn er konnte erkennen, wie sich hinter der Scheibe das Licht veränderte. Beim ersten Hinschauen war es noch ein diffuser Ball gewesen, was sich nun verändert hatte, denn dieser Ball hatte sich zusammengezogen und schärfere Umrisse bekommen. Er war vergleichbar mit einem Mond, der am Himmel stand und von Wolkenfetzen umflort wurde, denn so klar war er noch nicht.
Allerdings klar genug, um innerhalb des Kreises einen Schatten erkennen zu können.
Es war bestimmt nicht der berühmte Mann im Mond, aber dieser Schatten mußte etwas zu bedeuten haben.
Suko hielt den Atem an.
Er konzentrierte sich nur auf dieses runde Gebilde und achtete kaum auf das Flüstern der Stimmen. Die Patienten waren erregt, sie standen wie unter Strom, denn sie wußten sehr genau, daß die Stunde der Entscheidung nahte.
Der Professor war in den Nebenraum geeilt, um das Phänomen von dort beobachten zu können, und Suko staunte nicht schlecht, als er die geflüsterten Worte tatsächlich verstand.
»Die Zeit ist da…«
»Sie kommt zurück…«
»Sie wird uns holen…«
»Die Wölfin…«
»Unsere Herrin…«
Ihm war kalt geworden. Er fühlte sich, als hätte ihn das eisige Licht ebenfalls durchdrungen. Es war wie kalter Grieß, der von ihm Besitz ergriff und auf ihn herabrieselte.
Der Mond rückte heran. Zumindest sah es so aus. Es mochte auch daran liegen, daß sich der Schatten in ihm immer mehr festigte und Suko allmählich erkannte, daß es kein gewöhnlicher Schatten war, sondern sich innerhalb des Kreises eine menschliche Gestalt abmalte. Dunkler als der Hintergrund, aber nicht gleichbleibend, denn zum Kopf hin hellte sich die Gestalt auf. Es lag am Gesicht und den rötlichblonden Haaren, die das Gesicht wie eine Flut umwuchsen.
Haare, die zu einer Frau paßten, deren Namen Suko nie vergessen würde.
Morgana Lay ton war da!
Und mit ihr kamen die Wölfe, denn hinter ihr und noch innerhalb des kalten Lichtkreises sah Suko die Bewegungen. Zuerst ebenfalls nur verwischte Schatten, dann aber, als sie sich nach vorn schoben, traten sie deutlicher hervor.
Sie zeigten nur ihre Köpfe. Das reichte. Ihre Schnauzen waren weit aufgerissen, und das Schimmern der langen Reißzähne kam einer Morddrohung gleich…
***
Die Beretta steckte in ihrer rechten Jackentasche, und Melanie Morton spürte das Gewicht der Waffe, das sie einigermaßen beruhigte. Sie war in das Krankenhaus eingedrungen, ohne daß es irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hätte, und sie wußte auch, wohin sie gehen mußte, denn sie spürte genau, daß sie nicht im Stich gelassen worden war.
Schon auf dem kurzen Weg vom Taxi zum Eingang hatte sie die Botschaft erreicht, auf die sich Melanie voll und ganz verlassen konnte.
Ihre große und mächtige Freundin Morgana war unterwegs, um sie zu unterstützen. Sie wollte sich diejenigen holen, in deren Körper sie ihren Keim hineingepflanzt hatte, und für Melanie war es das Höchste überhaupt, dabeisein zu dürfen. Auch wenn sie äußerlich ruhig erschien, so spürte sie in ihrem Innern das Fieber der Spannung. Die Augen leuchteten, hatten aber noch keinen tierischen Glanz bekommen, sondern ihren menschlichen Ausdruck behalten.
Sie mußte nach oben, das stand fest. Vor dem Fahrstuhl blieb sie stehen. Sie hatte schon den richtigen Knopf gedrückt, um die Kabine nach unten zu holen.
Es dauerte etwas, weil einige Besucher wohl auf und ab fuhren, und das gefiel ihr gar nicht.
Hinter ihr drängten sich andere Menschen zusammen; sie wurden ebenfalls ungeduldig, und
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