Morganas Wölfe
hoch, und ich sehe auch keinen Sinn darin, Ihre Behauptungen in einen Vergleich zum Verhalten der Patienten zu stellen.«
»Nun, da bin ich anderer Meinung.«
»Die Sie sicherlich auch modifizieren können.«
»Ich werde es versuchen.« Suko räusperte sich leicht, bevor er weitersprach. »Meiner Ansicht nach sind durch diese Bisse Keime gelegt worden. Die Wölfe haben die Patienten angesteckt. In ihnen pulsiert ein magisches Gift. Ich wünsche es mir nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß sie irgendwann damit beginnen, sich zu verändern. Der Tag draußen wird verschwinden, es wird immer dunkler werden, und ich kann mir vorstellen, daß es ihre Zeit ist.«
Der Arzt hatte sehr genau zugehört. »Die Zeit der Wölfe?« fragte er nach.
»Ja.«
»Deshalb also das Verlegen der anderen Patienten.« Suko nickte.
Penrose fuhr fort. »Es würde bedeuten, daß Sie mit einem Eindringen der Wölfe in dieses Krankenhaus rechnen.«
»Auch das.«
Der Professor wußte nicht mehr, was er erwidern sollte. Er warf Suko einen schrägen Blick zu, hob die Schultern und schaute auf seine Uhr.
»Nun ja, es wird dunkel sein. Und Sie meinen wirklich, daß sich die Wölfe in unser Krankenhaus einschleichen?«
»Wir müssen zumindest mit dieser Möglichkeit rechnen. Es kann allerdings noch eine andere geben.«
»Und welche?«
»Daß die Anführerin der Bestien selbst erscheint. Die Frau, die auf den Namen Morgana hört.«
Der Professor hielt den Mund. Er wußte nicht mehr, was er sagen sollte, hob nur die Schultern und schaute ins Leere. Für ihn war zwar keine Welt zusammengebrochen, aber mit gewissen Dingen kam er nicht zurecht. Sie waren zu hoch für ihn. Er murmelte etwas vor sich hin, starrte dann zu Boden, schaute gegen die beiden Fenster und schrak plötzlich zusammen, als die dünne und brüchige Stimme eines Patienten die Stille unterbrach. »Das Licht… ich spüre das Licht. Es ist so kalt. Es ist das Mondfeuer, es ist das Licht…«
Der Mann mit der Zeitung hatte gesprochen, und Sukos Muskeln spannten sich. Auch der Professor hatte die Worte gehört, er wollte auf das Bett zugehen, wurde aber von Suko zurückgehalten. »Lassen Sie mich bitte.«
»Gut, wie Sie wollen.«
Der Sprecher hatte sich aufgerichtet. Seine Hände fuhren unruhig über die vor ihm auf dem Laken liegende Zeitung hinweg. In der Stille klang das Knistern des Papiers überlaut. Seine Augen bewegten sich unruhig, und er verrenkte sich beinahe den Kopf, um einen Blick auf das Fenster werfen zu können, als würde hinter der Scheibe innerhalb des Nebels ein Licht erscheinen.
Auch Suko schaute hin.
Er sah nichts. Der Mann im Bett konnte auch nichts erkennen, nur spüren. Seine Worte waren nicht ungehört geblieben. Die anderen Patienten wurden ebenfalls von einer gewissen Unruhe erfaßt, und selbst aus dem Nebenzimmer hörten sie jetzt Stimmen. Dort unterhielt man sich nur flüsternd, so daß Suko nichts verstand. Er hatte sich schräg auf die Bettkante gesetzt und schaute den Sprecher an.
»Wie heißen Sie?«
»Bill Jackson.« Der Mann hatte dunkles Haar und eine sehr helle Haut.
Sein Gesicht war schmal, die Lippen hatten eine ungewöhnlich rote Farbe.
»Gut, ich bin Suko, und ich möchte, daß Sie mir vertrauen. Ist das okay?«
»Warum?«
»Ich habe vorhin etwas gehört. Sie haben von einem Licht gesprochen, Mr. Jackson.«
»Habe ich das?« Er tat überrascht.
»Ja, aber ich sehe kein Licht, und ich glaube, Sie ebenfalls nicht.«
Jackson lächelte. Er blickte zum Fenster, und sein Lächeln vertiefte sich.
»Doch… doch… Sie irren sich. Das Licht kommt. Es ist in der Nähe, ich spüre es deutlich. Es ist das kalte Mondlicht. Es wird eine Botschaft für uns bringen. Es hat mich schon erreicht, obwohl es noch nicht zu sehen ist.«
Das wunderte Suko. Allerdings waren die Worte so überzeugend gesprochen worden, daß er sich ebenfalls so hinsetzte, um das Fenster unter Kontrolle halten zu können. Dabei stellte er fest, daß sich die Haltung der anderen Patienten ebenfalls verändert hatte. Auch sie lagen nicht mehr starr in ihren Betten. Sie hatten sich aufgerichtet und ihre Gesichter ebenfalls den Fenstern zugedreht, als warteten sie darauf, daß sich der Nebel endlich lichtete und das zum Vorschein kam, wonach sie so lange schon gierten.
Es war nichts zu sehen, sosehr sich Suko auch anstrengte. Der Professor hielt sich noch immer nahe des Waschbeckens auf, und sein Gesicht zeigte eine gewisse Ratlosigkeit.
Suko wollte aufstehen,
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