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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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aber immer noch auf eine ansprechende Weise stilvoll-behaglich. Ich saß dort in der leeren, in gedämpften Tönen gehaltenen Bar und beobachtete ihn durch die Glastür der Lounge, wie er in sein Telefon bellte. Ich bestellte einen Wodka Tonic und rief zu Hause an. Schließlich musste ich Shirl Bescheid sagen. Dann rief ich das Krankenhaus an und sprach mit Schwester Kwame. Mickey war über den Berg und schlief friedlich. Man war zufrieden mit seinen Fortschritten. Ich hängte ein und fragte mich, weshalb mein Mann nur so endlos weit von mir weg schien. In jeder Hinsicht.
    In einer Ecke des Raumes waberte ein Technicolor-Krimi über den Bildschirm, gefolgt von einer schwachsinnigen Talkshow, bei der Möchtegern-Stars und -Sternchen eine riesige Treppe herunterliefen, bevor sie sich gegenseitig zuckersüß auf den Rücken klopften und sich Witze erzählten. Ich blätterte die Broschüren des hiesigen Zoos durch und stellte mir vor, wie Louis’ Gesichtchen bei den lustigen Lamas aufleuchten würde. Wir hatten noch nie einen Tagesausflug gemacht. Der Besuch in der Tate Gallery war der erste, und … Ich bestellte einen weiteren Wodka und kippte ihn hinunter. Mit einem Mal stand eine nette Polizistin neben mir und brachte mir eine Plastiktüte voller Toilettenartikel.
    »Ich habe Ihnen auch noch einen Slip dazugelegt. Ich hoffe, er passt«, murmelte sie. Sie reichte mir die Sachen, doch ich merkte, dass ihr Blick an Silver hing. Er sah auf und winkte ihr zu. Sie errötete. Ich war genervt. »Das ist doch völlig irrational«, sagte ich mir.
    »Wie aufmerksam. Hat Silver Sie gebeten, die Sachen zu besorgen?«, fragte ich sie trocken und zog eine riesige weiße Baumwollunterhose aus der Tüte.
    Sie sah mich ausdruckslos an. »Ich weiß nicht, wer das angeordnet hat. Brauchen Sie sonst noch etwas?«
    »Wie wär’s mit einer Erklärung?«, fragte ich, um eine korrekte Aussprache bemüht. »Können Sie mir da weiterhelfen?« Meiner Stimme war der Wodka mittlerweile deutlich anzumerken. Ich fühlte mich warm wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Eine seltsame Erregung mischte sich in meine Anspannung.
    »Leider nicht. Doch wahrscheinlich wird man Ihnen bald Bescheid sagen.« Offensichtlich wusste sie weniger als ich. Plötzlich stand Silver neben uns. Ich stopfte den Slip wieder in die Tüte zurück.
    »Danke, Constable …?«, sagte er. Sie wurde knallrot.
    »Martin.«
    »Constable Martin. Wissen Sie, was mit Ihrem Chef los ist? Ich warte immer noch auf seinen Rückruf.«
    »Er ist wegen des Doherty-Mordes draußen in Peacehaven. Dort ist einiges geboten. Ich glaube nicht, dass er vor dem frühen Morgen wieder zurück ist«, sagte sie schüchtern. Es wurde still. Dann fragte sie etwas zögerlich: »Ist das alles für den Augenblick?« Und schon schenkte er ihr sein strahlendes Lächeln.
    »Ja, Kindchen. Wir sehen uns morgen.« Er drehte sich um und steuerte auf die Bar zu. Einen Augenblick lang sah sie aus wie nutzloses Strandgut, und mein Herz flog ihr zu.
    »Danke für die Sachen«, rief ich ihr nach. Mit etwas Dunklem im Glas kam Silver zurück zu meinem Sofa. In der anderen Hand hielt er einen weiteren Wodka für mich.
    »Sollen wir hinausgehen? Hier ist es stickig.« Ich folgte ihm in den kleinen, ummauerten Garten, der zum Meer hin abfiel. Mittlerweile war ich eindeutig betrunken. »Hübsche Sonnenschirme. Was ist das?«, fragte ich, während ich auf sein Glas deutete. Er suchte einen Tisch auf der menschenleeren Terrasse aus.
    »Cola«, antwortete er. »Wieso?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich nur gewundert.« Eine Sekunde lang ließ ich den Blick übers Meer schweifen. Einzelne Lichtpunkte vibrierten in der Dunkelheit. Fischerboote? »Warum trinken Sie Cola?«
    »Ich trinke keinen Alkohol.«
    »Oh, Verzeihung.« Ich überlegte einen Augenblick. »Warum nicht?«
    »Weil ich zu viel davon getrunken habe. Viel zu viel. Und dann …«Er spielte mit dem Einwickelpapier seines Kaugummis. »… dann habe ich das verloren, was mir am meisten am Herzen lag.«
    »Ihre Frau, meinen Sie?«
    »Ich meine meine Kinder.« Er schnippte das Papierkügelchen über den Tisch. »Und jetzt trinke ich nicht mehr.« In der Dunkelheit hatte sein Lachen etwas Sardonisches. »Ich bin viel netter, wenn ich es lasse.« Dann riss er sich zusammen. »Es hat also gar keinen Sinn, wenn Sie mich abfüllen wollen, in Ordnung, Kindchen?«
    Unter dem spitzen Sonnenschirm einer früheren Gartenparty war ich plötzlich froh um die Dunkelheit.

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