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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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warum sie dich aufgesucht hat. Ich habe dich doch damals danach gefragt.« Es sprudelte regelrecht aus mir heraus. Damals, als ich dich fast ins Koma gevögelt hatte. Aber das sagte ich nicht. Ich stand vielmehr da und hielt den Blick unverwandt auf meine Füße gerichtet wie ein unartiges Kind.
    »Hast du das? Ich kann mich nicht erinnern.« Er sah mich lange an. Seine Augen waren dunkel dabei und glitzerten ein bisschen, als hätte er immer noch Fieber. »Und?«
    »Sie erzählte mir, eure Liebe sei einzigartig gewesen. Ich weiß nicht. Diese Art von Schwachsinn. Ich konnte sie nicht leiden, Mickey.« Jetzt stellte ich mich seinem Blick.
    »Nein, natürlich nicht.« Er senkte den Blick als Erster. »Warum solltest du auch?« Er stieß einen selbstmitleidigen Seufzer aus. Eine dicke Krankenschwester mit fettem, glänzendem Gesicht kam herein. Ihr auf dem Fuß der Arzt mit den kleinen Ohren. Dahinter sah ich einen verschwitzten Pfleger, der einen Rollstuhl brachte.
    »Es tut mir leid, Mrs Finnegan«, sagte der Arzt milde zu mir. Ich war sicher, dass eines seiner Ohren zuckte. »Aber jetzt müssen wir übernehmen. Wir müssen noch eine abschließende Kernspintomografie machen, eine Art Scan, bevor wir ihn in Ihre liebenden Arme entlassen können.« Man rollte Mickey hinaus.
    »Eines noch, Jessica«, murmelte Mickey, als man ihn an mir vorbeischob. »Meiner Ex kann man nicht trauen.«
    »Was meinst du damit?«, rief ich ihm hinterher, doch da hatte ihn schon der Lift verschluckt. Was sollte das nun wieder heißen? Der Arzt lächelte mir freundlich von der Tür her zu. »Je schneller wir damit anfangen, desto eher haben Sie ihn zu Hause.« Dann war auch er verschwunden, und ich stand allein in dem trostlosen Raum.

Kapitel 23
     
    Deb und ich trafen Constable Kelly in Greenwich, vor der Sprachenschule. Wir hatten keine Ahnung, ob Gorek auch dort sein würde. Man hatte versucht, ihn letzte Nacht zum Verhör zu bringen, ihn aber in dem Haus in New Cross, in dem er wohnte, nicht gefunden. Allerdings hatte man dort zwei seiner Brüder vorgefunden.
    Silver sprintete die Treppen vor dem Schuleingang herauf. Als er vor uns stand, bemerkte ich, dass er energischer als sonst auf seinem Kaugummi herumbiss.
    »Möchten Sie drin warten, Kelly? Seine Klassenkameraden sagen, dass er kommen wollte, aber ich bin mir da gar nicht so sicher.« Wieder einmal drehte Silver das Einwickelpapier des Kaugummis in der Hand zu einem Kügelchen zusammen. Dann sah er auf die Uhr. »Trinken wir doch nebenan noch schnell einen Kaffee.«
    »Sir«, Deb flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er grinste sie an. »Natürlich. Also dann, bis in …?« Wieder sah er auf die Uhr. »In dreißig Minuten.«
    Ich folgte ihm in das Schnellrestaurant. Vor der Schule stand ein Streifenwagen mit drei uniformierten Polizisten. Mein Kaffee war so heiß, dass ich mir die Zunge verbrannte.
    »Ich sage das nur zu Ihrem Besten, Jess«, meinte er, während er Zucker in seinen Tee rührte. »Sie sind ein bisschen übereifrig.«
    »Das wäre ja wohl jede Mutter in dieser Situation, oder etwa nicht?« »Der Schock wirkt auf Menschen jeweils völlig unterschiedlich.«
    Die letzten zwölf Tage liefen an meinem inneren Auge vorbei. Als ich daran dachte, wie ich voller Tabletten ins Krankenhaus eingeliefert worden war, zuckte ich zusammen. Ich schämte mich, dass ich mich so schwach gezeigt hatte.
    »Sie sollten nicht so hart zu sich selbst sein.«
    Ich starrte ihn an. »Haben Sie sich jetzt auch zum Gedankenleser entwickelt?«
    Er lächelte. »Nein, aber ich weiß, dass Eltern häufig Schuldgefühle haben, sogar wenn alles bestens läuft. Und Frauen sind darin ohnehin schlimmer als Männer, würde ich mal annehmen.«
    Sein Telefon piepte.
    »Ja?« Er zwinkerte mir zu, als er abnahm und lauschte. Dann legte er das Telefon zurück auf den Tisch. »Sie hatten Gorek beinahe. Er war heute Morgen bei seiner Frau und seiner Tochter in Bow.«
    »Gibt es Anzeichen von …«
    Er legte seine Hand über meine, die sich erneut um die Kaffeetasse krampfte. Einen Augenblick hatte ich vergessen, wie heiß sie war. »Nein. Keines. Offensichtlich hat man ihn bei Harrods entlassen. Dann wäre es sowieso unwahrscheinlich, dass wir ihn in Knightsbridge auftreiben.«
    Ich schluckte. Dann versuchte ich, diese letzte Enttäuschung sportlich zu nehmen. »Frau? Alle Achtung. Ich frage mich, ob Maxine davon wusste?«
    »Hätte es sie denn gekümmert, wenn sie es gewusst hätte?«
    Ich zuckte mit den Schultern.

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