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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Einfach abzuhauen. Das kommt nicht gut, Junge.«
    Er lachte zögernd. »Ja, ich versteh schon. Aber das würde ich … du musst mir einfach glauben: Nie hätte ich ihn entführt.«
    Ich strengte mich an, irgendwelche Hintergrundgeräusche zu erlauschen, als sei ich Polizist, irgendeinen Hinweis, aber da war nichts. »Wo bist du, Robbie? Bist du mit diesem … diesem Mädchen zusammen?« Ich brachte es nicht über mich, ihren Namen auszusprechen.
    Wieder lachte er freudlos. »Ja, bin ich. Deshalb sind wir ja abgehauen. Wegen ihrem Alten.«
    »Was? Wegen ihrem Vater? Ich dachte, er sei in Frankreich?«
    »Ihrem Freund. Gorek. Übler Typ.«
    Jetzt war es an mir zu lachen. »Ach, komm schon. Du lässt dich mit diesen Drogenleuten in Soho ein und hast Angst vor ihrem Lover? Erzähl mir ne bessere Geschichte!«
    Im Hintergrund erklang ein Miauen. »Was ist das für Lärm, Robbie?«, wollte ich wissen. »Hast du Maxine ein Kätzchen gekauft?«
    Er ignorierte meine Frage. »Es ist wahr, Jess. Ihn sollten die Bullen mal überprüfen. Er hat ein recht hitziges Temperament. Du solltest mal ihre blauen Flecken sehen.«
    »Nach dem, was ich gehört habe, sollen die blauen Flecken eher auf dich …«
    »Jess«, unterbrach er mich brüsk. »Es tut mir leid, okay? Ich …«
    »Was?«
    »Es tut mir wirklich sehr leid.«
    Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er aufgelegt hatte. Müde radelte ich nach Hause. Als ich um das Pub mit den Butzenglasfenstern kam, sah ich, dass Silvers Auto vor meinem Haus stand. Sofort fing mein Herz an, wie wild zu schlagen, mein Magen kräuselte sich verdächtig. Mickey, sagte ich mir. Louis. Konzentrier dich auf Louis.
    Silver sah frisch aus. Er hatte sich erholt, war rasiert und duftete wie immer. Er lächelte sogar, obwohl ich nicht sicher war, dass das Lächeln auch bis zu seinen Augen kam. Ich sagte ihm, was Robbie mir erzählt hatte. Er zog die Braue nach oben und lehnte sich gegen die Anrichte in der Küche. »Er könnte die Wahrheit sagen. Ich fand Gorek auch nicht besonders nett. Aber wir haben keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Die Beweislage gibt das nicht her.«
    Als ich mir ein Glas aus dem Schrank holte, streifte ich Silver kurz. Wo meine Haut die seine berührt hatte, schien sie zu brennen. »Hat Deb Ihnen etwas zu trinken angeboten?«, fragte ich höflich, als wären wir auf einer Party.
    »Vergessen Sie das«, er drehte mich einfach zu sich herum. Ich zuckte unter seinen Händen zusammen. »Sehen Sie sich das an«, sagte er und legte einen braunen Umschlag auf die Arbeitsplatte. Ein Polaroidfoto von Louis’ lächelndem Gesichtchen. Ein anderes, in dem er auf einem Babystuhl saß. Sein Doppelkinn wölbte sich so süß, weil er aufmerksam auf etwas hinunterblickte, das er in der Hand hielt. Ein zarter Tautropfen Spucke hing von seiner Unterlippe, auf dem Foto für alle Ewigkeiten eingefangen.
    »O Gott.« Ich schwankte leicht, als ich nach den Fotos griff. Ich fühlte mich wie Alice, die kopfüber in das Loch stürzt, während Silver, der Weiße Hase, mich durch all den Wahnsinn geleitete, der immer verrückter wurde. Der Schock war zu viel für mich. Tränen rannen mir aus den Augen. Lautlos ließ ich sie laufen. Doch zumindest wusste ich, dass Louis am Leben war. Ich war sicher. Wer immer diese Bilder aufgenommen hatte, hatte ihm Sachen gekauft. Er hatte Dinge an, die ich noch nie gesehen hatte. Und er spielte mit Sachen, die ich nicht für ihn ausgesucht hatte. Wer immer diese Bilder aufgenommen hatte, liebte meinen Sohn. Sein seidiges Haar war ganz sorgsam gebürstet. Und die Person hatte sich Zeit genommen, ihn zum Lachen zu bringen.
    Silver trat auf mich zu, ich einen Schritt zurück. Ich musste Louis finden, bevor ich mit meinem Leben weitermachen konnte.
    »Wo …« Ich schniefte. »Wo haben Sie die her?«
    »Wieder so ein verdammter Kurier. Man hat sie heute im Morgengrauen von einem Laden in Knightsbridge abholen und zu einem Kurier bringen lassen, der sie dann zu mir brachte.« Er sah mich an und lächelte sein schiefes Lächeln. »Wir schaffen es, Jess. Ich schwöre es dir. Jetzt dauert es nicht mehr lange.« Er spielte mit den Schlüsseln in seiner Hosentasche. Dann holte er sein Handy heraus und tippte eine Nummer ein.
    »Wir haben David Ross verhaftet. Den General. Vor allem vor dem Hintergrund von Robbies Verschwinden. Doch ich muss sagen …« Er brach ab, als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. Dann kam er zu mir herüber und hielt die Hand über

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