Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
Käpt’n Blaubär. Genau das, was meine arme Mutter brauchte nach der Katastrophe mit meinem Vater. Und George kümmerte sich um sie. Was bedeutete, dass Leigh und ich uns keine Sorgen machen mussten. Aber er war einfach nicht mein Vater.
    Als ich auflegte, wartete Deb schon darauf, mit mir zur Dienststelle zu fahren. Sie sah wütend aus, als habe man sie gerüffelt, doch ich wagte nicht, sie zu fragen, warum sie heute Morgen länger gebraucht hatte als sonst. Mittlerweile saß ich jeden Tag in dieser Pressekonferenz. Das sollte so lange gehen, bis Louis wieder da wäre. Silver sagte, es sei von außerordentlicher Bedeutung, dass die Öffentlichkeit Notiz von uns nahm. An diesem Tag trafen wir – er, Deb und ich – uns vor der Konferenz, um die Sache mit der komischen Frau zu besprechen. Er war ziemlich kurz angebunden und hatte den Polizeizeichner im Schlepptau.
    »Warum fällt Ihnen das bloß erst jetzt ein, Jessica?«
    »Es schien mir einfach nicht wichtig.«
    »Ich sagte Ihnen doch, dass alles wichtig ist.«
    »Ich hab’s vergessen.« Ich starrte auf meine Füße hinunter, während die Röte langsam mein ganzes Gesicht überzog. Ich kam mir vor, als stünde ich im Büro des Schuldirektors. Silver sah mich fragend an.
    »Was soll das heißen: ›Ich hab’s vergessene?«
    »Ich habe einfach nicht daran gedacht. Ich fand sie zwar ein wenig unheimlich, aber trotzdem schien sie mir mehr oder weniger normal. Jedenfalls war das damals mein Eindruck.« Plötzlich kamen mir die Geschichten wieder in den Sinn, die ich gestern im Internet gelesen hatte. Auch dies waren scheinbar »normale« Frauen gewesen, die trotzdem etwas total Verrücktes getan hatten.
    »Und weiter?«, fragte er und versuchte, nicht allzu ungeduldig zu klingen. »Können Sie das ›Unheimliche‹ vielleicht ein bisschen präzisieren?«
    »Sie hat sich einfach nur ein bisschen übertrieben benommen. Zum Beispiel, dass sie sich gar nicht mehr einkriegen konnte, wie süß Louis sei.«
    »Nun, das ist er ja«, sagte Silver.
    »Ja, aber irgendwie – kam sie mir bekannt vor, doch sie meinte, sie habe mich noch nie gesehen. Sie war mir nur ein bisschen zu vertraulich, das war alles. Wissen Sie: einfach die Art von Leuten, die Ihnen zu dicht auf den Pelz rücken.«
    »Bekannt?«, hakte er nach.
    »Ja. Ich weiß auch nicht, wieso. Ich glaube nicht, dass ich sie kannte. Sie hatte nur so ein Gesicht.«
    »Können Sie sie beschreiben?«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Gut«, meinte Silver. »Gehen Sie mit Mitchell, und tun Sie Ihr Bestes. Besser, wir sind auf der sicheren Seite. Schade, dass Ihnen das nicht schon früher eingefallen ist, Kindchen.«
    Erschrocken bemerkte ich, wie nahe mir seine Vorwürfe gingen. Er war weg, noch bevor ich Gorek erwähnen konnte, und so entschied ich, unter den gegebenen Umständen mit der Geschichte noch zu warten. Ich schüttelte das Gefühl ab, dass ich mittlerweile von Silvers Anerkennung abhängig war, und folgte dem Zeichner in den angrenzenden Raum.
    Ich hatte Maxines Zeitschrift mitgebracht und zeigte sie dem Zeichner. Dieser fühlte sich natürlich prompt zu der Bemerkung veranlasst, heute müssten Supermodels Babys ja nicht mehr klauen, weil man sie einfach kaufen konnte. Mit lautem Husten und Grimassieren bedeutete Deb ihm, den Mund zu halten. Er zeichnete schnell. Immer wenn ich die Züge der Frau nicht exakt beschreiben konnte, trommelte er mit dem Bleistift ungeduldig gegen die Tischkante. In meinem Kopf vermischten sich die Züge der flippigen Hochglanz-Heidi immer wieder mit der wirklichen Frau, sodass ich am Ende von der Zeichnung auch nicht hundertprozentig überzeugt war. Immerhin: Es war ein Anfang. Dann brachte Deb mich in den Konferenzraum, wo ich zu Silver aufs Podium kletterte. Heute würde er mir sicher nicht die Hand halten. Ruhig und kühl saß er neben mir, als ich mich dem üblichen Kreuzfeuer aus Blitzlicht und Fragen stellte, das mir regelmäßig Kopfweh verursachte. Plötzlich erhob sich ein pickelgesichtiger Jüngling.
    »Christ Thomas, S. E. News Agency. Ich freue mich, dass es Ihrem Mann besser geht. Ich frage mich, ob die Polizei die Möglichkeit des Kinderhandels in Betracht zieht. Ich sitze eben an einem Artikel über eine Bande aus Moldawien, die hier in dieser Gegend operieren soll. Gerüchten zufolge soll sie Kinder entführen und an reiche, kinderlose Paare verkaufen …«
    Meine Oberlippe hob und senkte sich wie die eines Tieres, das um sein Leben kämpft, doch bevor ich noch etwas

Weitere Kostenlose Bücher