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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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sagen konnte, wurde er von Silver unterbrochen, der die Worte dieses Pickelknaben elegant vom Tisch fegte.
    »Wir prüfen natürlich sämtliche Möglichkeiten. Doch im Moment verfolgen wir andere Spuren. Und die aktuelle Indizienlage gibt keine Hinweise auf internationale Verbindungen, wie Sie sie eben andeuteten. Weitere Fragen?«
    Mich aber hatte diese Frage bis ins Mark getroffen. Babyhandel? Das war mir nie in den Sinn gekommen. Silver gab eine Beschreibung der Frau, die in Sussex gesehen worden war, und bat mögliche weitere Augenzeugen, sich zu melden. Er richtete einen Appell an die Bevölkerung, doch besonders auf verdächtige Szenen zu achten, in die Babys verwickelt seien. Dann beendete er die Konferenz.
    »Morgen, Leute – selbe Uhrzeit, selber Ort. Außer es ergibt sich etwas Neues. Danke sehr.«
    Silver meinte, er würde mich nach Hause fahren. Vor meinem geistigen Auge wimmelte es nur so von braun gebrannten Männern mit Piratengesichtern, Goldzähnen und hartem Akzent, die Louis aus seinem Buggy rissen und mit ihm zum Hafen rannten, während aus den Taschen ihrer Jeans dicke Geldbündel lugten.
    »Glauben Sie, es könnte etwas Wahres an dem sein, was der Junge sagte?«, fragte ich nervös, während Silver losfuhr. Verzweifelt sog ich an meinem Inhalator. Über uns am Himmel waren die Wolken dick vom bevorstehenden Regen, die Luft feucht und suppig. Mein Gott, wenn das Gewitter nur endlich losbrechen wollte. Die Luft war zu dick zum Atmen. Silver sah weniger sicher aus als eben in der Pressekonferenz, was mich beunruhigte.
    »Natürlich wissen wir von den Banden, die er angesprochen hat, doch in Ihrem Fall liegen die Verhältnisse völlig anders. Warum sollte man Ihnen gerade in der Tate Gallery auflauern? Normalerweise werden diese Banden eher am Wohnort der Familie tätig. Und es gibt meist irgendeine Verbindung zu den Kidnappern.«
    In meinem Kopf hatte sich seit der Frage des Pickelknaben ein neuer, entsetzlicher Gedanke breitgemacht.
    »Und Maxines neuer Freund? Er hatte eine merkwürdige Fahne an seinem Auto, die ich nicht kenne. Und letzte Nacht war er allein in meinem Haus und hat irgendwohin ins Ausland telefoniert. Er könnte Moldawier sein«, sagte ich mit schwacher Stimme. Dabei richtete sich mein Blick auf die ölglänzende Luftschicht, die über dem Asphalt tanzte. Silvers Kopf drehte sich schnell zu mir herum.
    »Maxine? Das Au-pair-Mädchen? Sie sagte, sie habe keinen Freund. Sie hat einen Typen mit einem seltsamen Namen erwähnt – ich glaube, es war ein französischer.«
    »Leo? Ja, aber sie ist ziemlich umtriebig, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich habe es Ihnen ja gesagt. Der Knabe kam zum ersten Mal an dem Tag, an dem Louis verschwand. Er hat sie in seinem Sportwagen abgeholt.«
    Eine Hupe ertönte, als wir zu weit auf die andere Spur kamen.
    »Himmel noch mal, Jessica! Wieso haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
    »Sie haben sie doch befragt.« Jetzt war ich auch in Panik. »Sie sagten doch, ich müsse mir um sie keine Sorgen machen. Ich habe Ihnen doch von den Fotos in ihrem Zimmer erzählt und …«
    »Hier geht’s doch nicht um die verdammten Fotos. Sie sollten uns doch informieren, wenn irgendwelche Fremden auftauchen. Ich habe Sie wieder und immer wieder gefragt. Zuerst das mit der Frau in der Tate Gallery und jetzt das …«
    Diese Bemerkung ließ meinen Geduldsfaden reißen, den ich so mühsam gesponnen hatte. »Jetzt aber mal halblang! Warum machen Sie mich für Ihre Versäumnisse verantwortlich?« Wütend schlug ich mit der Faust gegen das Fenster. »Sie sind der Bulle, oder nicht? Sie leiten die Ermittlungen. Ich versuche ja mein Bestes, damit Sie alles erfahren, was Sie wissen müssen, aber … es ist einfach alles zu viel. Mickey im Krankenhaus … manchmal kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. Verdammt noch mal, muss das sein, dass ich mich noch mieser fühle, als ich es ohnehin schon tue?«
    Ich spürte, wie er um Fassung rang. Ich hatte ihn noch nie so durcheinander erlebt. »Gut, Sie haben mir von der Frau ja erzählt. Nur eben nicht sofort.«
    Fast hätte ich ihm eine grobe Antwort gegeben, aber da streckte er mir versöhnlich die Hand entgegen. »Aber natürlich haben Sie recht, Jessica. Ich bin der Bulle. Es tut mir leid.«
    »Es wird mir einfach zu viel, wenn Sie mich jetzt herunterputzen.« Meine Schläfen pochten. »Es tut mir leid, wenn ich es versiebt habe, aber es ist mir einfach entfallen. Ich habe diesen Kerl nur ein paar Mal gesehen. Nur

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