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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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stereotype Vorstellung«, urteilte sie von oben herab und nippte an ihrem Glas. »Übrigens, wenn wir schon dabei sind: Glaubst du, die nette Dame von der Polizei hätte was dagegen, wenn ich mir eine Tüte drehe?« Einen schönen, dicken Joint. Genau das, was kein Arzt dir aufschreibt, obwohl du es brauchst.
    »Das liegt wahrscheinlich an dir.« Der Wein schien heute irgendwie besonders schnell die Kehle hinabzurinnen. Misstrauisch beäugte ich das Glas, während ich mich ein paar Takte lang zur Musik Kurt Cobains wiegte. Dann sagte ich: »Wieso magst du Mickey eigentlich nicht?«
    Endlich war die Frage, die ich vorher nie gestellt hatte, heraus. Die Worte schienen irgendwie aus meinem Mund herauszuschlüpfen, als gehörte dieser gar nicht zu mir. Ich hörte sie, als sei ich zehntausend Meilen weit weg. Sie schienen noch nicht ganz fertig zu sein. Es sprach für Shirl, dass sie nicht entsetzt drein sah. Vielleicht aber fehlte mir auch nur der nötige Klarblick, um dies zu erkennen. Ich spähte aus einem Auge zu ihr hinüber.
    »Nun?«, stammelte ich undeutlich.
    »Ich glaube, das willst du nicht wirklich wissen, Jess, oder?«, antwortete sie und hob ihr Glas, sodass sie mich nicht ansehen musste. »Ich meine, er ist dein Lover. Es gibt Dinge, die sollte man nicht ansprechen, selbst wenn man gut befreundet ist. Du weißt doch, was ich meine?«
    Ich lachte ungläubig. »Aber du gibst dir nicht die geringste Mühe zu verbergen, dass du ihn nicht magst.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ja, aber der arme Mann ist momentan bettlägerig, und zwar in einem Krankenhausbett. Das wäre so, als würde man schlecht über Tote reden.«
    »Ach, komm schon, Shirl. Sags doch einfach. Schließlich sind wir schon eine halbe Ewigkeit befreundet. Seit wir zusammen in die Highschool gingen. Und du hast nie mit etwas hinterm Berg gehalten.«
    »Ja, aber …«
    »Aber was?«
    »Du bist einfach hingegangen und hast diesen Typen geheiratet. Du weißt genau, wovon ich spreche. Ich weiß, dass du das tust.« Wenn Shirl im Stress war, wurde ihr Dialekt noch breiter.
    Aber ich würde nicht nachgeben. Ich war wie ein Hund, der endlich einen Knochen geschnappt hat, an den er normalerweise nicht herankommt.
    »Ist es, weil er gelegentlich ein bisschen launisch ist?« Ich versuchte es. Shirl widmete sich weiterhin ihren Rechnungen, die meiner Meinung nach ohnehin schon sehr geordnet waren. Andererseits ließ sich das in meinem Zustand nur schwer beurteilen.
    »Oder weil er reich ist?«
    Jetzt war sie wütend. »Ich brauche nicht mehr Geld, meine Liebe. Du kannst die Kohle ruhig genießen.« Aber nun hatte ich sie am Wickel.
    »Ist es in Wirklichkeit nicht andersrum?«
    »Was meinst du?«
    »Du warst es schließlich, die sich ins gemachte Nest gesetzt hat.«
    »Was meinst du damit, Shirl?«, fauchte ich beleidigt.
    »Nichts.«
    »Wenn überhaupt, dann hätte ich lieber einen Mann ohne Geld gehabt.«
    »Ach, erzähl das doch jemand anderem.«
    Aber es stimmte. Mickeys Geld hatte mich immer nervös und verlegen gemacht. Ich war einfach daran gewöhnt, nichts zu haben. Das war den größten Teil meines Lebens so gewesen. Ich war es gewöhnt, für mein Leben selbst aufzukommen. Doch wahrscheinlich wechselte ich jetzt besser das Thema, sonst würden wir noch in Streit geraten.
    »Ist es, weil er so intelligent ist?«
    »Nein, Jessica. Wenn du es denn wirklich wissen willst: weil er dich nicht richtig liebt. Okay? Ist es das, was du hören wolltest?«
    »Oh.« Ich fiel in mich zusammen wie ein alter Luftballon, den man seines Inhalts beraubt hatte. »Das ist aber nicht nett.«
    Ich trank aus. »Was meinst du mit ›nicht richtig‹?« Ich hatte das Gefühl zu fallen, doch der Spiegel mir gegenüber zeigte, dass ich noch stand. So gerade noch.
    »Richtig eben. Du brauchst einen Mann, der dich um deiner selbst willen liebt, nicht für das, was er aus dir machen kann oder was du für ihn aus dir zu machen bereit bist. Seit du mit Mickey zusammen bist, hast du dich ganz schön verändert. Du weißt das. Du bist nicht mehr du selbst. Aber lassen wir das Thema jetzt, bitte, Jess. Bevor wir noch ins Streiten kommen.«
    »Aber was meinst du denn mit ›verändert‹?«
    »Einfach anders eben. Nicht mehr du selbst. Viel zu unterwürfig. Nervös. Außerdem siehst du gut aus. Du bist wirklich hübsch, aber du scheinst dir dessen nicht bewusst zu sein. Jeder Mann, der es wert ist, würde dir dieses Gefühl geben.«
    »Oh«, sagte ich noch einmal. Vierzehn Shirls

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