Morgen ist der Tag nach gestern
ein Körper. Das Gebälk liegt quer über den Oberschenkeln. Die Bauchdecke ist aufgeplatzt.
Bongartz steht auf, geht einen Schritt vor zum verbrannten Schädel des Toten und winkt Böhm zu sich.
„Auf den ersten Blick ein ganz normales Brandopfer, aber sieh dir das mal an.“
Er zeigt mit der Spitze eines schmalen Metallstiftes, der aussieht wie eine zu kurz geratene Stricknadel, auf den hinteren, linken Teil des Schädeldaches. Ein Loch von der Größe eines Centstücks ist deutlich sichtbar.
Bongartz blickt zu Böhm auf.
„Ich kann den hier nur schlecht bewegen, aber das was ich bis jetzt erkennen kann, sagt uns: Der Mann ist aus nächster Nähe erschossen worden.“
Er pult mit der abgebrochenen Stricknadel vorsichtig an den Rändern der Einschussstelle.
„Selbstmord war das jedenfalls nicht. Kein Mensch schießt sich selber hinten links ins Schädeldach.“
Böhm sieht auf den Toten hinunter. Seine Arme liegen dicht neben dem Körper. Durch den Balken, der die Beine optisch abtrennt, scheint die Leiche nur aus dem Torso mit den eng anliegenden Armen zu bestehen. Der Schädel wirkt leicht nach hinten gebeugt, der Kiefer geöffnet, so als wolle er schreien.
Lembach kommt mit zwei Mitarbeitern, die einen Zinksarg über die Metallstege balancieren.
„Wenn wir ihn einpacken können, sag Bescheid. Ansonsten kann ich dir gleich sagen, viel zu finden wird hier nicht sein.“
Er hebt bedauernd die Schultern.
„Die haben mit ihrem Löschwasser und Löschpulver alles ruiniert. Ich hasse solche Tatorte.“
Böhm nickt ihm zu. Wenn es was zu finden gibt, wird Lembach es finden. Da ist er sicher.
„Die einzigen Räume, die vielleicht noch einigermaßen intakt sind, sind die Kellerräume. Jedenfalls hat das Feuer da nicht gewütet. Wie das mit durchgesickertem Löschwasser ist, kann ich noch nicht sagen. Aber da können wir erst rein, wenn wir hier alles haben und der Schutt weggeräumt ist. Das THW sichert dann die Kellerdecken.“
Die Sonne ist über den Reichswald gewandert und schwebt über Baumkronen in unterschiedlichsten Grünund ersten blassen Brauntönen. Im Gegenlicht wirkt dies wie die Silhouette eines sanften Gebirgszuges.
Die Mauerreste werfen jetzt kleine, vorsichtige Schatten in die verwüsteten Zimmer.
Bongartz wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Könnt ihr die Bergung bitte mit Fotos dokumentieren. Ich glaube nämlich nicht, dass ihr den da heil rauskriegt.“
Lembach grinst.
„Machen wir. Aber wir kriegen den im Ganzen raus, wollen wir wetten?“
Böhm sieht sich ein letztes Mal um. Im hinteren Teil, zur Terrasse hin, sind Lembachs Leute damit beschäftigt Scheinwerfer aufzustellen. Sobald es dämmert, werden sie eingeschaltet. Lembach wird die ganze Nacht hier zu finden sein.
Böhm schiebt die Nickelbrille hoch. „Kurt, gibt es Hinweise zur Identität?“
„Nein, aber der Mann war dick und die Zähne sind gut zu gebrauchen. Wenn es tatsächlich Horstmann ist, kann ich dir das morgen bestätigen. Wenn nicht, haben wir natürlich ein Problem.“
Als Böhm auf den versengten Rasen tritt, steht Steeg bei den Feuerwehrmännern und macht sich Notizen.
Er geht zu ihnen hinüber. Steeg hält sich nicht gern bei den Toten auf. Er beginnt immer mit dem Umfeld und das macht er gut.
Böhm nickt ihm zu. „Hast du was?“
Achim zeigt mit dem Block in der Hand auf das Nachbarhaus. „Hab mit dem Nachbarn geredet und mit Frau Tiller. Sie wohnt drüben in der Siedlung. Sie war es, die die Feuer-wehr informiert hat. Sie hat noch im Garten gesessen. Ihr Kind hat diese Monatskoliken und sie ist mit ihm draußen auf und ab gegangen. Um zwei Uhr vier hat sie angerufen. Zu dem Zeitpunkt hat sie Qualm aus den vorderen Fenstern aufsteigen sehen. Sie sagt, dann sei alles ganz schnell gegangen. Das Haus habe schon fünf Minuten später lichterloh gebrannt.“
„Und der Nachbar? Hat der nichts bemerkt?“
„Frank Zech. Der ist erst von den Martinshörnern wach geworden. Die haben diese dicken, alten Fensterläden und die halten sie geschlossen, wegen der Hitze.“
Sie gehen zusammen zum Auto zurück.
„Ist der Tote Horstmann?“
Böhm dreht den Zündschlüssel um.
„Das kann Bongartz erst morgen sagen.“
Steeg zuckt mit den Schultern.
„Gut, dann hätten wir einen Hausbrand mit einem verbrannten Hausherren. Die Feuerwehrleute sagen, es war Brandbeschleuniger im Spiel. Vielleicht wollte er das Haus abfackeln, um die Versicherung zu kassieren und dann hat er es nicht mehr raus
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