Morgen ist der Tag nach gestern
ist: Ness, Teichstraße 4. Eine kleine Straße kurz vor dem Reichswald. Da musst du rechts in Richtung Militärübungsplatz.“
Böhm steckt das Handy in die Tasche, legt seine Gabel neben den Teller und winkt Katja zu.
„Wir müssen los, kannst du uns schnell die Rechnung bringen?“
Steeg rollt eilig eine Scheibe Roastbeef um die Gabel und steckt sie in den Mund. Kauend beschwert er sich: „Mensch Peter, zwei Minuten hätten wir doch wohl noch, oder?“
Katja kommt mit der Rechnung zurück. Achim schiebt ihr seinen Teller zu. „Kannst du das bitte einpacken. Ich esse dann unterwegs weiter.“
„Da muss ich aber zwei Euro extra nehmen, wegen der Alupackung und dem zusätzlichen Arbeitsaufwand beim Service und in der Küche“, erwidert sie prompt.
Achim starrt sie ungläubig an.
„Zwei Euro …?“
Das Mädchen beginnt schallend zu lachen.
„Mensch Achim! War doch nur’n Scherz. Natürlich packe ich dir das ein. Und das Besteck kannste auch mitnehmen. Aber wiederbringen, ne!“
Sie bezahlen. Achim gibt kein Trinkgeld. Achim gibt nie Trinkgeld. Böhm gibt ein bisschen mehr. Eigentlich für Achim mit. Immer gibt er Trinkgeld für Achim mit und immer ärgert er sich darüber. Er ärgert sich über Steegs Geiz, und er ärgert sich, dass ihm Steegs Geiz unangenehm ist.
6
Auf der Warmhalteplatte der signalroten Kaffeemaschine, zwischen Kühlgefrierkombination und der Spüle steht die Glaskanne. Auf dem Kannenboden dümpelt noch eine blassbraune Pfütze Kaffee. Er hört, wie sie das Auto startet und davonfährt. Er zieht seine großzügig geschwungenen Lippen zu einem Lächeln, das die blauen Augen nicht erreicht.
Langsam steht er auf, öffnet die mit Eichenfurnier und Zierleisten auf rustikal gemachte Tür des Oberschrankes und nimmt einen dieser Kaffeebecher, auf denen Norderney, Rügen oder Las Palmas steht, heraus.
Mutter bringt aus jedem Urlaub eine solche Tasse mit. Selbst wenn sie nur eine Tagestour nach Amsterdam oder Düsseldorf macht. Immer gibt es einen Becher. Sie hat ihn gebeten eine Leiste an der Wand über dem Küchentisch anzubringen. Eine Leiste mit Haken, an denen sie alle Tassen aufhängen kann. „Ich habe so schöne Erinnerungen, wenn ich sie anschaue“, hat sie gesagt.
Er gießt den Restkaffee in den Sylt-Becher und geht zum Fenster über der Spüle. Er beugt seinen großen Körper vor, diesen Körper, der nicht dick ist, der aber eingehüllt ist in eine dünne Schicht aus Weichheit und Nachgiebigkeit, die er wie einen schlecht sitzenden Anzug trägt.
Vorsichtig schiebt er die Gardine ein kleines Stück zur Seite. Immer noch stehen die Gaffer am Straßenrand. Feuerwehrleute, Männer vom THW und ein paar Zivilisten begutachten die dampfende Ruine. Sie steigen über verkohlte Balken, verschwinden im Innern hinter rußgeschwärztem Mauerwerk, kommen wieder hinaus, reden, rufen, gestikulieren.
Frank beugt sich weiter vor. Das Garagentor steht jetzt offen. Er kann Horstmanns Mercedes sehen. Der große silberne Angebermercedes steht noch in der Garage. Nur, dass der nicht mehr silbern ist.
Er muss Horstmann nicht anrufen!
Er dreht sich um, nimmt aus dem Kühlschrank zwei Scheiben Weißbrot, Butter und Gouda. Erst frühstücken, dann die Wäsche und dann …! Normalerweise geht er im Laufe des Vormittags rüber. Im Haus lüften, die Zimmerpflanzen versorgen und abends den Garten wässern, oder Rasen mähen. Das ist jetzt vorbei. Alles ist jetzt vorbei und eigentlich ist er ganz froh darüber.
Wie lange die sich wohl noch auf dem Grundstück rumtreiben? Sicher werden sie kommen und ihm Fragen stellen.
Auf der Arbeitsplatte streicht er Butter auf das Brot. Den Käse legt er auf die Arbeitsfläche und schneidet die Rinde mit einer schnellen, geschwungenen Bewegung ab.
Mutter kann es nicht leiden, wenn er ohne Unterlage mit dem Messer über die Arbeitsplatte aus massivem Kiefernholz fährt. Es hinterlässt Kratzer im Lack. Die Stellen werden rau und mit der Zeit undicht. Es dringt Feuchtigkeit in das Holz und dann quillt die Platte auf.
Er legt die Käsescheiben auf das gebutterte Weißbrot, die zweite Scheibe Brot klappt er oben auf. Stehend schlürft er seinen Kaffee und kaut an dem Käsebrot.
Die Wäsche! Vielleicht mit einem ordentlichen Schuss Domestos in der Badewanne einweichen. Anschließend nochmal in die Waschmaschine.
Er wischt die Arbeitsfläche mit einem Spültuch ab, wäscht die Tasse und das Messer unter fließendem Wasser, trocknet sorgfältig ab und räumt alles
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