Morgen ist der Tag nach gestern
in das Haus, von den Leitern aus arbeiten sie mit Wasser. Auch der Rasen und die Baumreihen am Bach werden bewässert.
Es ist vier Uhr zwanzig, als die Bewegungen der Männer ruhiger werden und die Reste des Hauses dampfend daliegen, wie ein Drache, der seine letzten Atemzüge tut.
Erneut öffnet er die Schublade der Kommode, hebt die Unterhemden sorgfältig auf die Ablage, wickelt den schmalen Lederriemen um das Fernglas und legt es zurück. Wieder greift er mit beiden Händen nach der Wäsche und schichtet sie akkurat über das Fernglas. Dann schließt er die Schublade.
2
Wolfgang Wessel sitzt hinter seinem großen Schreibtisch, der sich über die ganze Raumbreite unter den Fenstern hinzieht, und sieht die aktuellen Einkaufspreise des Amsterdamer Blumengroßmarktes auf dem Bildschirm seines PCs durch. Die dürfte er eigentlich noch gar nicht haben, aber er ist seit Jahren dabei und man hat so seine Verbindungen. Auf diese Weise kann er seinem Sohn, der nachts um ein Uhr mit fünf Fahrern und ebenso vielen LKWs losfährt, sagen, bis zu welchen Preisen er mitbieten soll und wann er auf jeden Fall aussteigen muss.
Mechanisch schreibt er die Höchstgebote hinter Margeritenstämmchen auf Zwölferpaletten, Gerberagebinde zu 250 Stück, Gladiolen … Baccararosen … Dann schreibt er die Gesamtstückzahl dazu und wie viele der jeweiligen Sorte die Fahrer auf welche LKWs verladen sollen.
Jetzt, bei der Hitze, ordert er nur kleine Mengen Schnittblumen. Die Menschen leben draußen, jedenfalls die, die einen Garten oder Balkon haben. Topfpflanzen gehen um diese Jahreszeit, Topfpflanzen, die in allen erdenklichen Farben blühen. Die LKWs fahren dann die Großmärkte in Nordrhein-Westfalen an, wo die Ware weiterverkauft wird.
Die Verkaufspreise lässt er offen. Es kommt darauf an, für wie viel Daniel die Ware einkaufen kann. Er handelt dann den Verkaufspreis aus, dafür hat er ein Händchen.
Daniel ist erst dreiundzwanzig Jahre, aber er versteht das Geschäft. Seine Ausbildung als Groß- und Außenhändler hat er in einem Fahrradgroßhandel gemacht. Daniel hatte zu Hause lernen wollen, aber Wolfgang hatte darauf bestanden, dass sein Sohn erst mal einen anderen Betrieb kennenlernen sollte. Das war richtig gewesen, wie sich schon bald herausstellte. Nicht, dass der Fahrradgroßhandel eine tolle Firma gewesen wäre, aber Daniel hatte verstanden, was alles schiefgehen konnte und auf was er als Chef zu achten hatte.
Simon, sein Zweiter würde in diesem Jahr neunzehn werden und ein gutes Abitur machen. Dann würde er fort-gehen um zu studieren. Psychologie oder Medizin, hatte er bereits vor vier Jahren verkündet, und dieser Wahl war er bis heute treu geblieben. Simon war kein Geschäftsmann. Er hatte nie Interesse an der Firma gezeigt, sodass eigentlich schon immer klar gewesen war, dass Daniel das Geschäft übernehmen würde.
Er greift nach dem Foto das rechts neben dem Bildschirm auf dem Schreibtisch steht. Es zeigt ihn mit seinen Kindern vor einem Skilift in Italien. Er und die Jungen hatten sich in einer Reihe aufgestellt. Miriam hatten sie alle drei getragen. Er hatte ihre Schultern gehalten, Daniel ihre Hüfte und Simon die Füße. Es sah so aus, als würde sie waagerecht vor ihnen schweben. Marion, seine zweite Frau, hatte fotografiert. Er stellt das Bild zurück.
Zufrieden nickt er seinem PC zu. Ja, er könnte die Firma an Daniel übergeben. Wenn er in Schwierigkeiten geraten würde, wären all die Mühen der vergangenen dreißig Jahre bei seinem Sohn in guten Händen.
Er lehnt sich in seinen schweren, ledernen Schreibtischstuhl zurück und blickt aus dem Fenster. Der asphaltierte Hof. Die eingezeichneten Parkbuchten für zehn LKWs, die beiden großen Kühlhäuser mit den Büros dazwischen, die eigene Dieselzapfsäule und nach links die Wiesen und das letzte alte Treibhaus.
Die Wiesen waren früher Felder gewesen, auf denen sein Vater und zu Anfang auch er, Kohlsorten und später Salat unter Plastikplanen angebaut hatten. In den Treibhäusern hatten sie Setzlinge vorgezogen, sowohl für die eigenen Felder als auch für den Verkauf auf dem Wochenmarkt.
Mit dem kleinen, roten Hanomagtraktor war er mit seinem Vater morgens um fünf Uhr los zum Wochenmarkt. Dann hatten sie ihren Stand aufgebaut und schon gegen sieben Uhr kamen die ersten Hausfrauen um sich die größten und kräftigsten Kohlsetzlinge zu sichern.
Er hatte aus der einfachen Gärtnerei seines Vaters ein gesundes Unternehmen gemacht. Als Kohl in
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