Morgen ist der Tag nach gestern
aus hellem Holz ein gelbes Glas mit einem Teelicht stand. Die Flamme hatte gezittert, als Can Yildiz die Fotos der Reihe nach auf den Tisch geblättert hatte. Drei Fotos und an dritter Stelle ein Bild aus einer Zeitung. Bahar, Rojin, Miriam und Saida!
Ihm war übel gewesen. Er hatte es nicht verstanden. „Sie glauben, meine Tochter ist im Irak?“, hatte er gefragt und noch während er sprach, wurde ihm klar, was Yildiz ihm wirklich sagen wollte. Er war aufgesprungen und aus dem Café gelaufen.
18
Die Schaulustigen, die gestern in kleinen flüsternden Grüppchen den Straßenrand säumten, sind verschwunden. Böhm fährt im Schritttempo die Teichstraße entlang.
Joop hält den Atem an. „Boah! Peter sieh dir das an!“ Er zeigt auf die drei schwarzen Riesen hinter der Ruine. Böhm nickt und bringt das Auto vor der Zufahrt zum Horstmannhaus zum Stehen. „Gestern habe ich für einen Augenblick gedacht, Horstmann hätte eine gewaltige Plastik in seinem Garten aufgestellt.“ Die schwarzen Baumstämme mit ihren verkohlten Aststümpfen liegen in dem blauen Himmel wie ausgeschnitten, so als habe jemand das Blau mit sicherer Hand entfernt und Eingänge in die Welt dahinter geschnitzt.
Lembach sitzt im Schatten des Transporters der Spurensicherung auf einem klappbaren Campingstuhl, nummeriert Tüten und trägt sie in eine Liste ein. Er sieht Böhm mit geröteten Augen an.
„Wir sind hier dann soweit. Die vom THW machen sich gleich ans Absichern des Kellers.“ Er streicht sich mit der Linken durchs Gesicht. „Die brauchen ein paar Stunden. Wir kommen dann heute Nachmittag wieder.“
Böhm sieht ihn besorgt an. „Bernd, nun übertreib nicht. Geh nach Hause und schlaf dich aus. Das hilft uns nicht, wenn du zusammenklappst.“
Lembach nickt zufrieden. „Vier, fünf Stunden. Dann geht es wieder.“
Er erhebt sich mühsam aus seinem Stuhl und geht vor. „Also, von dem zweiten Toten kann ich euch nur zeigen, wo er ungefähr gelegen hat. Der war nämlich schon zerlegt. Den Abschnitt hatten wir noch nicht frei gegeben, aber einer von diesen ganz Eifrigen meinte: Aufräumen, wo immer man kann.“ Er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Weißt du jetzt, warum ich lieber bis zum Schluss dabei bleibe?“
Sie stehen im hinteren Teil der Ruine. Hier muss das Wohnzimmer gewesen sein. Unter dem feinen, schmierigen Film aus Löschpulver und Wasser ragt die Federung eines Sofas aus einem verkohlten Holzgestell. Ein Bilderrahmen hält die Ecke einer Leinwand fest. Grüntöne in all diesem Schwarzgrau.
Lembach bückt sich. „Ich denke hier wird er gelegen haben. Hier haben wir Becken- und Oberschenkelknochen gefunden.“
Böhm klettert auf einen der Mauerreste. Wie in einem Modell, von dem man das Dach abgehoben hat, kann er die Zimmeraufteilung überblicken. Horstmann hatte im Zimmer direkt nebenan gelegen. Wahrscheinlich ein Arbeitszimmer. Wenn der Fundort des zweiten Toten korrekt war, dann lagen zwischen den beiden Toten gut sechs Meter.
„Hat Bongartz die zweite Leiche schon angesehen?“ Lembach schüttelt den Kopf. „Er weiß Bescheid. Wir haben ihm die Knochen gebracht.“
Peter Böhm sieht Joop zwischen den verkohlten Bäumen stehen. Was war nur los mit dem Jungen? Seit einigen Tagen wirkte er verändert und heute Morgen war er nicht mal auf Achims Frotzeleien eingestiegen.
Im Hintergrund, auf dem Militärübungsplatz, blühen große Ginsterbüsche auf dem zerfurchten Sandboden. Der grasbewachsene Hügel ist übersät mit lila blühenden Disteln.
Sein braunes Polohemd scheint die Hitze, die ihn hier auf dem Mauerrest von allen Seiten anfällt, aufzusaugen. Er steigt hinunter. Auf der Grundrisszeichnung in seinem Büro war ein Durchgang, ein Bogen, eingezeichnet. Das Arbeitszimmer war mit dem Wohnzimmer verbunden gewesen.
Könnte es so gewesen sein? Könnte es sein, dass Horstmann einen Brandstifter überrascht hatte und deshalb sterben musste? Könnte es sein, dass der andere Tote der Täter war? Dass er es nicht mehr hinaus geschafft hatte und seinem eigenen Feuer zum Opfer gefallen war?
„Bernd, ist der Kiefer intakt?“
Lembach nickt langsam. „Ja, da setzt Bongartz auch drauf. Aber du weißt ja, wie das ist. Wenn wir keinen Hinweis finden wer er sein könnte, hilft auch der schönste Zahnabdruck nicht weiter.“
Sie gehen zurück zum Transporter.
Böhm sieht sich noch einmal um. Sein Blick gleitet über die Terrasse. Selbst wenn der Tote ein Täter war, es musste mindestens noch einen zweiten
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