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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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geben. Einer hatte den Wagen weggefahren, mit dem der Diesel transportiert worden war.
    Lembach zieht den Reißverschluss seines Overalls auf, schiebt ihn von den Schultern hinunter bis zu den Waden und setzt sich. Der Campingstuhl wankt bedrohlich.
    Joop schlurft auf sie zu. „Wat jammer! Das war wohl eine schöne Wohnlage, oder?“
    Böhm lässt den Blick in die Weite schweifen. „Ja, wunderschön. Aber Horstmann hat das Haus kaum genutzt. Und es sollte brennen! Ich glaube immer mehr, dass es um diesen Ort ging. Nicht um Horstmann, sondern um dieses Haus!“

    19
    Diese gottverdammte Schlampe! Wieso musste sie sich ständig in seine Angelegenheiten mischen. Das machte sie nur, um sich wichtig zu tun. Vorhin hatte er Mutter noch hinhalten können. Die Idee war ihm in der Nacht gekommen. Er hatte gesagt, dass er die Originale nicht gerne aus den Händen geben würde. Er müsse erst Kopien machen. Das hatte sie verstanden. Er hatte gesehen, dass sie ihm anerkennend zugenickt hatte.
    Er holt den roten Plastikeimer unter der Spüle hervor, füllt ihn mit heißem Wasser und gibt einen kräftigen Schuss Spülmittel hinein. Er beginnt mit dem Küchenfenster. Jetzt, wo die Ruine nicht mehr qualmt, kann er endlich den Dreck von den Scheiben waschen. Er nimmt die Gardine ab, öffnet das Fenster und verteilt mit einem Schwamm die Lauge auf Fenster und Rahmen. Das Wasser ist innerhalb von wenigen Minuten schwarz. Er schüttelt angewidert den Kopf. Mit frischem, klarem Wasser und einem sauberen Lappen arbeitet er nach. Er geht einen Schritt zurück und nickt. Ja, das war schon gut. Jetzt musste er das Fenster nur noch mit Zeitungspapier trocken reiben.
    Horstmann war schuld. Er hatte ihm seine Baumwohnung weggenommen und später diesen blöden Job gegeben. Eigentlich hatte er ihn gar nicht ihm gegeben, sondern seiner Mutter. Frank könnte dann wenigstens ein bisschen was dazuverdienen, hatte er Mutter angeboten. Dieser Schleimer. Hatte ganz gönnerhaft getan und Mutter war natürlich darauf reingefallen. Sie hatte sich sogar bedankt. Unglaublich, sich zu bedanken für eine völlig unterbezahlte Arbeit.
    Mit gleichmäßigen, kräftigen Bewegungen zieht er das Knäuel Zeitungspapier über das Glas. Die Sonne reflektiert und er muss das Fenster immer wieder in eine andere Position bringen um zu sehen, ob das Glas wirklich ohne Streifen ist.
    Er hatte geschuftet für diesen Horstmann. Hatte die Räume gelüftet, Staub gewischt und einmal im Monat die Böden gemacht. Er hatte den Rasen gemäht, die Terrasse geschrubbt und Unkraut gejätet. Jeden Tag war für mindestens ein bis zwei Stunden was zu tun gewesen. Im Sommer hatte er sogar an den Wochenenden arbeiten müssen. War selbst an einem Sonntag brav hinüber gegangen und hatte den Rasensprenger angestellt. Er hatte sich die Stunden aufgeschrieben. Gut, im Winter waren es nur zehn bis zwanzig im Monat gewesen, aber dafür waren es im Sommer durchaus auch mal fünfzig Stunden geworden.
    Man soll bei Sonnenschein eigentlich keine Fenster putzen. Er weiß das! Aber wann es abkühlt, wann es einen bedeckten, guten Tag zum Fensterputzen geben wird, ist nicht absehbar. Er kann doch nicht wochenlang in einem Haus mit völlig verdreckten Fenstern wohnen.
    Er geht mit frischem Wasser hinüber ins Wohnzimmer und schiebt die Gardinen beiseite. Er nickt zufrieden. Vielleicht sollte er zuerst alle Fenster auf dieser Seite des Hauses machen. Die Morgensonne steht noch nicht so hoch.
    Er hatte sich das genau ausgerechnet. Er hatte im Durchschnitt fünfunddreißig bis vierzig Stunden im Monat gearbeitet. Für lächerliche vierhundert Euro. Für lächerliche zehn Euro in der Stunde hatte er für Horstmann knechten müssen. Und Mutter war einverstanden gewesen.
    Wieder schiebt er das Zeitungspapier über das gereinigte Glas. Dieses Fenster liegt nach Süden und zu dieser frühen Stunde noch im Schatten. Das geht deutlich besser. Er sieht sein Spiegelbild in der Scheibe und streicht sich über die Hüften. Du wirst träge und speckig, hatte Mutter vor einigen Tagen gesagt. Er tritt einen Schritt zurück und betrachtet sich genauer. Das kam nur von dem Bier. Und Bier trank er nur, wenn er sich aufregte. Da konnte er doch nichts dafür. Und jetzt auch noch diese blöden Zeugnisse.
    Er schließt das Fenster und geht in Mutters Schlafzimmer. Auf dem Nachttisch liegen ihre Tabletten und eine Frauenzeitschrift. Das Zimmer liegt im Halbdunkel. Mutter hat die Fensterläden nur einen Spaltbreit geöffnet.

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