Morgen ist der Tag nach gestern
Auf dem breiten Bett liegt die rosefarbene, schwere Tagesdecke. Der Stuhl vor dem Frisiertisch ist mit einer Husse aus dem gleichem Stoff bezogen und auch die Store vor dem Fenster sind aus dem Material. Das Bett, der Schrank und die Frisierkommode sind alt. Blankpoliertes, dunkles Kirschholz. Alles hat Rundungen. Das Kopf- und Fußteil des Bettes, die Einfassung des Spiegels, selbst die Türen des Kleiderschranks sind sinnlich gebogen. Er fährt mit der Hand über die glatte Biegung am Ende des Bettes. Über dem Kopfteil hängt eine Madonna mit dem nackten, kleinen Jesuskind.
Er sollte nicht trödeln. In seinem Eimer plätschert das Wasser mit dem Schmutz der Wohnzimmerfenster. „Bääh!“ Er zieht den Mund breit. In der Küche holt er frisches, heißes Wasser.
Mutter war auf diesen Horstmann reingefallen. Aber das hatte er ihr verziehen. Der hatte sie reingelegt. Bis heute hatte sie das nicht verstanden.
Er geht zurück ins Schlafzimmer und schiebt die Fensterläden an die Außenmauer.
Weil der Horstmann ihn gezwungen hatte, fast täglich in seinem Haus zu sein, hatte er sich ein bisschen umgesehen. Das war doch nur natürlich. Ein Ort, an dem man täglich sein muss, den will man schließlich kennen! Und da war sie ihm in die Hände gefallen. Diese blöde Karte für die Videothek. Horstmann hatte sie einfach im Schreibtisch liegen lassen. Ganz offen! Für jeden zugänglich. Er hatte sie nicht sofort genommen, aber nach ein paar Wo-chen hatte er sie benutzt. Zuerst hatte er nur Actionfilme ausgeliehen, war nicht in den hinteren Teil des Ladens gegangen. Aber dann …! Horstmann war ein Schwein gewesen. Er hatte die Karte mit voller Absicht in die Schublade gelegt. Er hatte alles von Anfang an geplant.
20
Es ist Mittagszeit, als sie im Präsidium ankommen. Steeg ist noch nicht zurück. Er hat Frau Horstmann ausfindig gemacht. Sie lebt in Wesel. Gegen elf Uhr dreißig hat er sich noch einmal gemeldet. Auf dem Rückweg will er in Uedem vorbei. Karl Becker gehört auch zum Stiftungsbeirat, und Horstmanns Exfrau hatte gesagt, dass Becker und ihr geschiedener Mann auch privat befreundet waren.
Joop steht am Fenster. Er hat das Rollo hochgelassen und steht in der Sonne, die jetzt direkt ins Zimmer scheint. Böhm sitzt am Computer und nimmt die neuen Erkenntnisse in seine Datei auf. Das Licht und die Mittagsglut fallen ins Zimmer und lassen nur träge, schwere Bewegungen zu. Beide hängen ihren Gedanken nach und selbst das Denken scheint einem anderen, einem behäbigeren Tempo zu gehorchen.
Böhm sucht nach einem Motiv. Wieso sollte jemand dieses Haus zerstören wollen? Wer ist dieser zweite Tote? Wenn er nicht zu den Brandstiftern gehörte, war er vielleicht zusammen mit Horstmann gekommen.
Aber immer wieder kommt ihm seine Sorge um den jungen Kollegen dazwischen. Was ist mit Joop los? So teilnahmslos hat er ihn noch nie erlebt. Sie haben ein freundschaftliches Verhältnis. Van Oss und Janine sind häufig bei ihnen zu Gast. Auch Brigitte mag Joop gerne. Sie hatte gesagt: Er ist der perfekte Zuhörer. Er gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein.
Böhm lächelt den Bildschirm an. Er war richtig eifersüchtig gewesen.
Van Oss trommelt mit den Fingern auf die Fensterbank.
„Joop! Was ist los?“
Van Oss atmet tief durch. Dann dreht er sich um.
„Ik kann er niet meer tegen.“ Er dreht sich um und sieht Peter Böhm an.
„Ich versteh’s einfach nicht.“
Böhm lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück.
„Was kannst du nicht aushalten und was verstehst du nicht mehr?“
Joop dreht sich wieder dem Fenster zu. Er blickt über den Marktplatz, der leblos zu warten scheint. Die roten Dächer der Häuser gegenüber flirren in der Sommerhitze, verzerren sich wie Trugbilder. Phantasien, denen man sich nicht entziehen kann, die einen aufsaugen und in ihrer Helligkeit alles Gesehene als Täuschung verhöhnen.
„Janine geht für mindestens zwei Jahre nach Sydney. Sie hat von ihrer Firma ein wohl gutes Angebot bekommen!“
Böhm muss sich anstrengen, ihn zu verstehen. Joop spricht leise auf den Marktplatz hinaus. Die Worte halten sich nicht in dem grellen Licht. Sie fallen ohne Resonanz aus dem Fenster.
Böhm fragt nicht weiter. Er schaltet den PC aus.
Es ist dieses grelle Licht, geht es Böhm durch den Kopf. Es ist dieses grelle Licht, das alles auf den Kopf stellt. Das uns die Dinge auf eine andere Art sehen lässt!
Böhm beugt sich vor. „So! Jetzt erzähl mal von Anfang an!“
Joop schüttelt den Kopf. „Da
Weitere Kostenlose Bücher