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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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durchkämmt
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    Marion bekam Beruhigungsmittel. Morgens wankte sie aus dem Bett ins Wohnzimmer. Dort lag sie den ganzen Tag auf dem Sofa und starrte in den Garten. Sie sprach kaum mit mir
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    Er starrt das karierte Papier an. Es hatte Augenblicke gegeben, da hatte er sie gehasst. Er hatte sie wegen ihrer Hoffnungslosigkeit gehasst. Diese Hoffnungslosigkeit, mit der sie seine Zuversicht mit einem einzigen Augenaufschlag zerquetschen konnte.
    Eine Woche lang! Eine Woche verging, in der er sich im Büro beschäftigte, bis er dieses sinnlose Auf- und Abgehen in den Zimmern und über dem Hof nicht mehr ertragen konnte.
    Wenn Hoffnung schwindet, wird sie schwer. Das ist paradox, und doch, sie wird immer schwerer, bis sie untragbar ist. Und dann fällt sie einem aus den Händen und lässt eine Leere zurück, die sich ausbreitet wie ein Feuer, das Einen von innen auffrisst.
    Ich versuchte diese Leere mit Zahlenkolonnen und Geschäftigkeit zu füllen, wollte verhindern, dass sie meinen Verstand erreicht
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    An diesem Tag befragten sie Marion
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    Wann genau ich denn vom Büro hinüber ins Haus gekommen sei? Ob mich jemand im Büro gesehen habe? Ob ich, von ihr unbemerkt, weggefahren sein könnte?
    Sie befragten meine Söhne. Sie verhörten mich
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    Sie sind ja wahnsinnig, habe ich sie angeschrien
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    Wieder starrt er auf die unbeschriebenen Kästchen. Er hatte in der Woche zuvor alles getan, um nicht zu weinen. Er hatte gedacht, wenn er weine, betrauere er sie. Wenn er weine, sei sie tot. Aber dieser furchtbare Verdacht hatte ausgereicht.
    Marions Blick veränderte sich. War er bisher hohl und ohne Ziel gewesen, so als würde sie durch ihn hindurch sehen, so nahm sie ihn jetzt wieder wahr. Auf eine beobachtende, misstrauische Art.
    An diesem Abend ging Marion nicht in unser gemeinsames Schlafzimmer. Sie ging in Miriams Zimmer. Die Nacht war sicher nicht dunkler als die Nächte zuvor und doch, mir erschien sie von einer Schwärze, die nie wieder weichen würde
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    Das Bollwerk, das ich in mir errichtet hatte, dieser Schutzwall, mit dem ich den Gedanken an Miriams Tod abgewehrt hatte, brach in sich zusammen und ich weinte
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    Wieder legt er den Stift beiseite.
    Und weil man so nicht leben kann, weil man so nicht leben will, sucht der Verstand nach einem Ersatz, um den Schmerz erträglich zu machen. Mit diesem sicheren Gefühl vernichtet zu sein, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Man kann sich ergeben. Heute denkt er, das ist Gnade. Gnade fordert keine Gerechtigkeit. Sie duldet Schuld und fordert keine Rache. Aber sein Schmerz war nicht von dieser Art. Er brauchte ein Ziel. Er brauchte den Gedanken, dass sein Handeln, seine Existenz, die Dinge verändern könnte.
    In den nächsten Tagen zog sich die Polizei immer mehr zurück. Sie sprachen mit mir auf diese distanzierte Art, mit der man Menschen begegnet, die man nicht einschätzen kann. Denen man etwas zutraut!
    Hinter ihm schlägt die alte Standuhr ihre Zeit ins Zimmer.
    Dieser Argwohn hat sein Leben mit unsichtbarer Hand angetrieben. Wie Ahnungen, denen man nicht habhaft werden kann. Wie Sterne, weit hinter dem sichtbaren Firmament.
    Dann hat es eine Zeit gegeben, in der ich mir gewünscht habe, man möge den Leichnam meiner Tochter finden. Sie werden sagen: Wie kann ein Vater sich so etwas wünschen. Und doch, genau so habe ich gedacht. Ich konnte die Vorstellung, sie sei irgendwo in den Händen eines Irren, nicht ertragen. Ihr Tod wäre mir erträglicher gewesen. Ihr lebloser Körper, der dieser Ungewissheit ein Ende setzen würde. Ich wollte meine Tochter endlich beerdigen
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    16
    Um sechs Uhr klingelt der Wecker. Böhm findet die Taste mit geschlossenen Augen. Nur Brigittes gleichmäßige Atemzüge sind zu hören. Das Fenster steht weit offen. Durch Blattwerk und feinmaschiges Fliegengitter fällt gesiebtes, rötliches Morgenlicht. Er wirft das dünne Leinenlaken zurück. Die große Buche vor dem Schlafzimmerfenster macht die Nächte erträglich. Sie hatten darüber nachgedacht sie zu entfernen, weil sie die Sicht auf den Garten nimmt. Böhm lächelt. Darüber würde er nie wieder nachdenken.
    Er steht auf, putzt sich die Zähne, zieht das T-Shirt und die kurze Laufhose an. Unten im Flur, neben der Haustür, stehen Turnschuhe mit Socken.
    Als er vor die Tür tritt, liegt das obere Stück Sonne wie ein Eidotter auf dem Deich. Vögel haben den Tag schon vor Stunden empfangen. Im Kirschbaum, neben der Garage, ruft eine Amsel ihr ansteigendes Tirili und eine Kohlmeise legt eine hohe,

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