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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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neues Leben schafft …«
    Langsam stieg Bergschulte in der Wohnsiedlung die Treppen hinauf und drückte auf die Klingel, über der ›Franz Stahl, Schuhmachermeister‹ stand. Er hörte den schlurfenden Schritt seines Schwiegervaters drinnen zur Tür kommen, der Schlüssel drehte sich im Schloß, und durch einen Spalt der vorsichtig geöffneten Tür blickten die alten, etwas trüben Augen.
    »Du?« sagte Franz Stahl und zog die Tür weit auf. »Was ist mit Lina? Hast du sie gesehen? Wie geht es ihr?« Er ließ ihn in die Wohnung und schloß hinter ihm ab. Dann schob er ihn in die Küche, wo Emma saß und ihnen mit angsterfüllten Augen entgegenblickte.
    »Lebt … lebt sie noch?« fragte sie, und ihre Greisinnenhände zitterten. »Fritz … so sag doch was!«
    Bergschulte setzte sich auf den Küchenstuhl, den ihm der Schwiegervater hinschob, legte beide Hände auf den Tisch und antwortete:
    »Lina geht es besser. Sie ist die Treppe hinuntergefallen, kurz, nachdem ich weggegangen war. Sie hatte sich so aufgeregt. Aber jetzt ist es gut …«
    »Was heißt das: Jetzt ist es gut?« Der Alte stopfte seine Pfeife und setzte sie umständlich in Brand. Dabei blickte er über den Pfeifenkopf hinweg seinen ehemaligen Schwiegersohn an.
    »Das soll heißen, daß ich den Kampf um Lina aufgenommen habe.« Fritz Bergschulte lehnte sich zurück. »Lina will auch zu mir zurück. Sie hat es mir gesagt.«
    »Und … und Ihr – Mann?« Emma Stahl rang die Hände. »Es wird einen Skandal geben …«
    »Es werden Recht und Anstand siegen, Mutter. Nichts als Recht und Anstand. Heinrich Korngold hat mir mein Leben gestohlen, und dafür wird er sühnen.«
    »Er hat für Lina immer nur das Beste gewollt. Er hat sie auf Händen getragen, und Lina war glücklich – bis jetzt!« Emma war aufgestanden. Das Gefühl einer Mutter, das nur die Tochter sieht, das eigene Kind, dessen Glück auch ihr Glück ist, ließ sie alles andere vergessen. Verbissen wie eine Löwin, deren Junges in Gefahr war, kämpfte sie gegen den Mann, den sie dafür verantwortlich machte. »Ich bitte dich, Fritz – wenn du Lina noch liebst, wenn du sie jemals geliebt hast –, geh weg von hier, fange irgendwo ein neues Leben an, vergiß, was hinter dir liegt, vergiß Lina und alles! Glaube mir, es ist besser so für alle Teile, wenn alles so bleibt, wie es ist. Fritz, ich flehe dich an: Gib Lina frei!«
    Fritz Bergschulte war aufgesprungen. Dunkle Röte überzog sein knochiges Gesicht. Seinen langen ausgehungerten Körper schüttelte es. In seinen Augen glühte ein Feuer, das von Zorn, Empörung und Abscheu genährt wurde.
    »Das sagst du mir!« stieß er hervor. »Ja, vielleicht denkt ihr gar, es wäre besser gewesen, ich wäre in Rußland geblieben und irgendwo in der Taiga verreckt wie Tausende andere. Warum ist er überhaupt zurückgekommen, der Störenfried? Weil er Sehnsucht hatte nach der Heimat, nach Frau und Kind? Nein, um Krach zu schlagen, um alles durcheinanderzubringen … denn er hätte ja wissen können, daß er nicht mehr gefragt ist.«
    Bitter lachte er auf. »Und geschrieben hat er nicht, weil er nicht wollte, oder vielleicht gar, weil er im Ural ein dralles Mädchen im Arm hatte, so eine frische, nach Milch und saurer Milch duftende Matka, und das Leben war herrlich in den stinkenden Katen um den summenden alten Samowar, und es schlief sich ja so nett auf den hohen Lehmöfen, auf deren Plattform die ganze Familie schnarchte und ihre Schweißfüße wärmte … Warum kam er denn zurück, der alte Bergschulte, dieses Hungerskelett? Seht doch mal den Heinrich Korngold an! Gute Stellung, eigener Wagen, nettes, süßes Bäuchlein, entstanden durch viele Pilsner Biere und manche dicke Bockwurst. Der Prototyp des angesehenen guten Bürgers – hurra – hurra – hurra! Was will da der Prolet Bergschulte noch? Der Mann, der doch tot ist? Und tot bleiben soll er, denn die Lina hat inzwischen eine bessere Partie gemacht!« Fritz Bergschulte stieß den Stuhl unter den Tisch und blickte sich um zu Franz Stahl, der schweigend seine Pfeife rauchte. »Ja, ich gehe! Ich falle euch nicht mehr zur Last!« Er spuckte aus. »Pfui Teufel, daß der Mensch so schnell vergißt, was er früher sagte. Als wir in Rußland lagen, draußen im Dreck, und die Stalinorgeln uns zur Sau machten, da habt ihr nett geschrieben: Aushalten, Junge! Rette die Heimat! Denke an deine Lina und deinen kleinen Peter! – Man hätte weinen können über diese Briefe – weinen vor Stolz und Freude!

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