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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alle Hände offen, in die das Glück seine Gaben regnen lassen konnte. Freiheit, Zukunft, Jugend, Liebe, Hoffnung, Geben und Nehmen – ein neuer, ein betörender Rhythmus, ein anderes Lied des Lebens. Das alte wollte er nicht mehr hören. Es war ein Trauermarsch gegen die Fanfaren der Freude, die ihm nun das Herz höher schlagen ließen.
    Etwas wie Trotz kam in Fritz Bergschulte auf.
    Er zerriß den Brief Paul Ermanns in kleine Schnitzel und warf sie in den Papierkorb. Dann setzte er sich auf das alte Sofa und zimmerte sich ein Gedankengebäude zurecht, das ihn vor sich selbst rechtfertigte.
    Man hat mich um zwölf Jahre betrogen. Meine Frau hat mich verlassen, hat mich für tot erklären lassen, hat mein Haus verkauft, hat meinen Kameraden geheiratet, hat mich vergessen bis zu der Stunde, in der ich wieder vor ihr stand – ein Toter, an den keiner mehr gedacht hatte. Damals war ich wie von Sinnen – ich verstand die Welt nicht mehr, – ich forderte mein Recht. Ich kam aus der Hölle und sollte in der Heimat heimatlos sein. Ich, der ich zwölf Jahre gewartet hatte, sollte tot sein für die, um deretwillen ich alle Kräfte aufgewandt hatte, um weiterzuleben. Aber wie ist es jetzt? Jetzt hat man einen Abstand gewonnen von den Dingen. Man hat eine Stellung, es bildet sich ein neuer Lebenskreis, man ist sogar wieder – oder endlich – verliebt. Und nun soll das alles wieder rückgängig gemacht werden? Ich soll vergessen und vergeben. Wer aber würde mir vergeben, wenn ich einmal eine solche Schuld auf mich laden würde? Jetzt, da ich endlich wieder die Sonne scheinen sehe, da ich fühle, daß ich noch jung bin, daß ich noch Hoffnung habe, jetzt soll ich in das alte, dumpfe Leben zurück, soll täglich an meine Tragödie erinnert werden, an den Betrug, der mein altes Leben zerstörte? Wenn ich Lina sehe, dann muß ich daran denken, daß sie in Heinrich Korngolds Armen gelegen hat und glücklich war. Wenn ich an meinem Haus vorbeikomme, dann muß ich denken: das hat einmal dir gehört. Wenn ich durch die Straßen gehe und die Leute grüßen mich, dann muß ich mir sagen: Auch die haben an deine Verwesung geglaubt, für die warst du längst tot. Nun bist du eine Sensation, weil du doch noch lebst, und man bestaunt dich nicht viel anders als wie einen Wunderaffen im Zirkus.
    Nicht mehr fähig, vernünftig und klar zu denken, fühlte er eine sinnlose Wut in sich aufsteigen. Zwölf Jahre betrogener Hoffnung und zerstörten Glaubens durchbrachen alle Dämme der Vernunft. Jetzt, an der Schwelle der Entscheidung, verlor Fritz Bergschulte die Orientierung und drehte durch.
    Einem plötzlichen Entschluß folgend, setzte er sich an den Tisch und schrieb einen Brief. Wie gehetzt lief die Feder über das Papier und hielt die Worte fest, die sein überreiztes Gehirn gebar.
    Dann beschriftete er das Kuvert, schloß es und griff nach seinem Hut. Mit schnellen Schritten verließ er die Wohnung und eilte zum nächsten, gelbgestrichenen Briefkasten.
    Dort nahm er den Brief aus der Tasche und hob mit der anderen Hand die Einwurfklappe hoch. Einen Augenblick zögerte er und las noch einmal die Adresse, ehe er den Brief einwarf und die Klappe mit lautem Knall zufallen ließ.
    »So!« sagte er trotzig wie ein erzürnter Junge. »Das ist der Schlußstrich!«
    Er steckte beide Hände in die Hosentaschen und ging den Weg zurück. Starr, verbissen, sich im Recht dünkend – wie ein Rächer in einem billigen Film …
    Und der Briefkasten erlebte bald seine nächste Leerung. Fritzens Brief trat die Reise zu seinem Empfänger an.
    Nach Minden. An den Rechtsanwalt Dr. Schrader …

6
    Am Montag begann Lina mit ihrer Arbeit bei Hans Herten. Sie wurde in die Registratur gesteckt und hatte am ersten Tag nichts anderes zu tun, als Baupläne, Detailzeichnungen und Aufrisse zu ordnen und auf Verlangen aus den langen Regalen herauszusuchen. Sie wurde eingewiesen in den laufenden Bürobetrieb und lernte nach Jahren wieder den Rhythmus kennen, der das ganze Denken ergriff, solange man in den Räumen der Firma weilte.
    Dieser erste Tag war anstrengend und schwer. Das ungewohnte Hinundherlaufen, das lange Stehen an den Regalen, die von ihr verlangte schnelle Reaktionsfähigkeit, wenn sie nach einem kurzen Stichwort wissen mußte, um welche Pläne es sich handelte, ermüdete sie. Deshalb war sie froh, als der Uhrzeiger auf sechs Uhr abends rückte und ein dunkler Summerton durch das Haus tönte.
    Feierabend. Die Mädchen packten ihre Taschen ein, hängten

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