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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Büromäntel in die schmalen Spinde, puderten sich das Gesicht und kämmten die Locken durch. Der Buchhalter aß noch schnell ein Butterbrot, das er nicht wieder mit nach Hause bringen durfte. Die Konstrukteure und Zeichner stellten die großen schwenkbaren Lineale an den Zeichentischen gerade und bedeckten die Zeichnungen mit einer dünnen Schutzfolie. Der Bürodiener gähnte ermüdet, denn ihm oblag während der Dienststunden alles, was mit Laufen zusammenhing. Die Putzfrauen standen draußen vor der Tür und schwatzten und warteten, bis die Räume leer wurden.
    Lina stand noch an ihr Regal gelehnt und überblickte diese summende Geschäftigkeit des Aufbruchs. Sie alle gehen jetzt nach Hause, dachte sie. Der eine zu seiner Familie, der andere erwartet nachher seine Braut, – und dort die junge Stenotypistin wird bestimmt heute ins Kino gehen und mit ihrem Liebsten Hand in Hand einen packenden Film miterleben. Nur sie war jetzt allein, ganz allein. Ein fremdes Zimmer wartete auf sie in der Münsterstraße, ein kleiner, unpersönlicher, dumpfer Raum mit alten Möbeln, ein enges Treppenhaus, dunkel, gewunden, immer nach altem Bodenöl riechend, eine betagte Hängelampe mit einem Seidenschirm, der in seinen vielen Rüschen schon farblos geworden war.
    Sie riß sich von ihren Gedanken los und schlüpfte in den leichten Sommermantel. Draußen regnete es ein wenig, es war ein Sprühregen, der das Pflaster im Scheine der vielen Lampen blankgeputzt erglänzen ließ. Einen kurzen Augenblick stand sie vor dem Spiegel über dem Waschbecken in der Ecke des Büros. Sie wandte sich aber schnell wieder ab und ging auf die hohe Glastür zu, welche von den Büros auf einen Flur hinausführte, an dessen Ende das Zimmer des Chefs, Hans Herten, lag.
    Der Architekt hatte sie, ohne daß es Lina gemerkt hatte, durch das große Fenster, das sein Büro von den übrigen Räumen trennte, im Laufe des Tages öfter beobachtet, nicht aus Mißtrauen, um sie im Bedarfsfalle anzutreiben, sondern weil ihn die stille Frau rein menschlich interessierte, zumal er glaubte, aus ihrem Gesicht viel Leid und noch mehr verborgene Hoffnung herauslesen zu können. Als sie jetzt den Flur entlangkam und zur Tür hinauswollte, rief er sie in sein Büro. Die Tür stand offen.
    »Einen Augenblick, Frau Korngold«, sagte Hans Herten mit seiner etwas abgehackten Geschäftsstimme. »Kommen Sie doch bitte mal herein.«
    Lina erschrak und folgte der Bitte, die mehr eine Anweisung war, mit weichen Knien. Als sie vor seinem breiten Schreibtisch stand, ließ sie die Hände an ihrem Körper herunterhängen und senkte ihr Haupt gleich einem Sünder vor Gericht, der mit einem schlimmen Urteil rechnen muß.
    »Sie sind mit mir unzufrieden?« sagte sie leise. »Ich habe seit Jahren nicht mehr in einem Büro gearbeitet. Aber morgen geht es bestimmt besser.«
    »Wer spricht denn davon?« Herten winkte ab. »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Frau Korngold.« Er wies auf einen Sessel. Lina setzte sich zaghaft.
    »Ich möchte nur einige Fragen an Sie stellen«, fuhr Hans Herten fort. »Ich habe Sie auf Empfehlung eines Bekannten eingestellt. Er schrieb mir, daß Ihr Mann aus Rußland zurückgekommen ist.«
    »Mein erster Mann«, sagte Lina.
    »Ihr erster … Ach, ich verstehe.« Hans Herten sah sie mitfühlend an. »Verzeihen Sie, daß ich Sie fragte. Sie haben da ein schweres Schicksal zu tragen. Die wenigsten haben die Kraft, in einer solchen Situation klar zu denken und eine Entscheidung, die in jedem Falle folgenschwer ist, zu treffen.« Er blickte auf die blanke Schreibtischplatte. »Wenn ich Sie recht verstehe, wollen Sie also zu Ihrem ersten Mann zurück?«
    »Ja. Es hat sich herausgestellt, daß der zweite die Ehe mit mir auf einem Riesenbetrug aufgebaut hat.«
    »Und wo ist Ihr erster Mann jetzt?«
    Lina hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Er schrieb mir gestern aus Braunschweig. Ich solle nicht nach ihm suchen, schrieb er. Er will erst wieder eine Stellung haben, ehe er mich holt. Und er will den Prozeß abwarten.«
    »Und Sie arbeiten jetzt auch, um wiederaufzubauen?«
    Lina nickte zaghaft. Sie ängstigte sich immer noch, ihre Stellung, die sie kaum angetreten hatte, schon wieder zu verlieren. Aber darum ging es nicht. Lina hatte im Gegenteil Grund, sich zu freuen.
    »Können Sie Schreibmaschine?« fragte Herten sie.
    »Ja. Nicht mehr so flott. Aber es geht noch.« Lina sah ihren Chef ratlos an. Was will er, dachte sie. Warum fragt er mich?
    »Ich brauche eine

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