Morgen ist ein neuer Tag
– alles könnte jetzt schön und gut werden … wenn du Dickkopf nicht einer Liebe nachrennen würdest, die keine ist.«
»Ich werde ab morgen acht Tage lang mit Lina zusammensein«, sagte Bergschulte leise. Er wischte sich das Blut vom Mund und betrachtete die roten Flecken an der Hand wie etwas Fremdes, das nicht von ihm stammte. »Wenn ich diese acht Tage überstehe, habe ich gesiegt.«
»Wer hat denn diesen Blödsinn ausgeheckt?« wollte Ermann wissen.
»Der Vater von Friedel. Ich komme soeben von ihm. Wir haben einen Vertrag geschlossen. Wenn ich mich nach diesen acht Tagen nicht für Lina entscheide, will er mir Friedel geben.«
»Und du glaubst, daß Lina eine solche Dummheit mitmacht?«
»Sie wird es müssen!«
»Fritz!« Ermann wanderte im Zimmer hin und her. Erregt fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum. »Du kannst doch Lina nicht zumuten, mit dir acht Tage ›auf Probe‹ zu leben. Hast du denn ganz vergessen, daß auch deine Frau ein Herz hat? Man hat an dir gesündigt, ja – das erkennen wir alle an. Aber man tat es unwissentlich. Man tat es in dem Glauben, daß die Nachricht von deinem Tode stimmte. Wie oft haben wir dir das schon gesagt. Und jetzt ist auch Lina am Ende ihrer Kräfte. Ihr Herz schreit um Hilfe …«
Bergschulte zuckte zusammen. Ihr Herz schreit um Hilfe. Hatte er das nicht vor einer Stunde zu Hans Herten auch gesagt? Und Antwort gäbe nur das höhnende Echo …?
Er schaute auf den Tisch und faltete die Hände auf der Platte. Lina war jetzt genauso einsam wie er … das stimmte. Und sie hatte auch ein Herz. Wer konnte das leugnen? Vor Jahren, als er mit seinem Motorrad verunglückt war, hatte sie sich fast umgebracht, war sie von Polizeistation zu Polizeistation gelaufen, um zu erfahren, ob man nicht sein Motorrad gefunden habe, und war dann zusammengebrochen, als man ihn im Graben einer Landstraße aufgelesen hatte. Ja, sie liebte ihn, das wußte er, sie würde ihm jedes Opfer bringen … Aber da waren die roten Lippen Friedels, die kecken, lustigen Augen und der schwingende Ton ihrer Stimme, wenn sie sagte: »Fritz, ich hab dich lieb …«
»Also, wie entscheidest du dich? Ich frage dich zum letztenmal.« Wie Peitschenhiebe trafen ihn diese Worte Ermanns, der schon die Türklinke in der Hand hatte, um zu gehen.
Irgendwo im Haus schlug eine Uhr. Hilflos hob Bergschulte die Arme. »Ich weiß es nicht, Paul.«
»Dann bist du morgen deinen Job los, das garantiere ich dir!«
»Paul«, bat Fritz Bergschulte, »gib mir – wie Friedels Vater – noch acht Tage Zeit. Nur acht Tage. Das ist kein unbilliges Verlangen von einem, der zwölf Jahre lang lebendig begraben war.«
»Meinetwegen.« Paul Ermann drückte die Tür auf. »Aber bleib mir in Zukunft vom Hals. Ich will nichts mehr hören von dir. Ich kenne dich nicht mehr.«
Krachend fiel hinter ihm die Tür zu. Sein Schritt verklang auf der Treppe. Dann sprang vor dem Haus der Mercedes an und brummte durch die Nacht davon.
Fritz Bergschulte saß auf seinem Sofa. Stumm betrachtete er die Blutflecken auf seinen Händen. Dann warf er plötzlich die Arme empor und fiel mit dem Kopf auf die Tischplatte. Seine Hände umklammerten den Tisch, als sei er eine Welt, die ihm entfliehen wolle.
»Ich kann nicht mehr«, stöhnte er. »Mein Gott – ich kann nicht mehr …«
Und er schluchzte laut und wimmerte wie ein Kind …
Es war ein warmer Frühlingsabend, samtweich und duftend, als Hans Hertens Wagen unten vor dem Hause Fritz Bergschultes hielt und Lina Korngold zaghaft ausstieg. Sie schaute an der dunklen, unfreundlichen Hausfront empor zu den erleuchteten Fenstern und zögerte, die paar Schritte zur Haustür zurückzulegen. In der Hand hielt sie eine große Reisetasche.
»Nur Mut«, sagte Hans Harten und gab ihr die Hand. »Wie gesagt, Sie haben acht Tage Urlaub. Und seien Sie so zu ihm, wie Sie es früher immer waren. Er wird Sie nicht gleich fressen …«
Ehe sie ein Wort antworten konnte, wandte er sich ab, setzte sich wieder in den Wagen und fuhr davon.
Allein und ängstlich stand sie in der dunklen Straße. Sie trat an die Haustür heran und legte zögernd die Hand auf die Klinke. Die Tür war unverschlossen und gab mit leisem Quietschen dem Druck ihrer Hand nach.
Der schwarze, wie eine Drohung ihr entgegengähnende Hausflur lag vor ihr. Hinten, gegen das Rückfenster, sah sie schemenhaft die schräge Verschalung der Treppe.
Ob er sie oben erwartete? Wie würde er sie empfangen? Daß er sich nicht freute,
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