Morgen komm ich später rein
brauchst Du von mir?‹ Mehr nicht«,
erklärt Cali Ressler.
Das Erfolgsprinzip ihrer Arbeitszeitrevolution erklären die beiden Erfinderinnen mit der Radikalität: Sie gilt für alle und
sie gilt absolut. Zu klassischen Modellen von Teilzeit, flexiblen Arbeitszeiten oder Arbeitszeitkonten haben die beiden eine
deutliche Meinung: »Betrug, Augenwischerei. Es werden immer noch Stunden gezählt, man muss sich immer noch rechtfertigen,
wie lange man gearbeitet hat. Und oft gelten sie nur für einige Mitarbeiter, das macht andere neidisch und schafft Unfrieden.«
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Entlohnung nach Leistung statt nach Zeit
Am schwierigsten war es, das mittlere Management von der neuen Arbeitsweise zu überzeugen. Abteilungsleiter sind es gewohnt,
ihre Mitarbeiter zu sehen. Sie achten darauf, dass jeder pünktlich an seinem Arbeitsplatz sitzt, die Pausenzeiten einhält,
nicht zu früh Feierabend macht und immer zu angesetzten Konferenzen erscheint. »Babysitten« nennen Ressler und Thompson diese
Art der Mitarbeiterführung |150| – die Verachtung für so eine unprofessionelle und unzeitgemäße Technik spricht aus ihren Stimmen. Stattdessen müssen Manager
unter ROWE klare, messbare Ziele für ihre Mitarbeiter definieren und deren Einhaltung dann tatsächlich messen und kontrollieren.
»Eigentlich klassische Führungsaufgaben«, sagt Thompson. »Macht bloß normalerweise kaum ein Chef«, ergänzt Ressler. Bei ROWE
muss der Manager also tatsächlich managen, nicht nur Anwesenheiten abhaken und Konferenzen leiten.
Aber was, wenn der Chef wirklich ganz schnell sein Team zusammentrommeln muss, weil eine Sache dringend erledigt werden muss?
Was, wenn dann die Hälfte der Leute im Fitnessstudio ist, beim Einkaufen oder im Kino? Die ROWE-Damen kennen das Argument.
»Feuerschutzübung« nennen sie das, weil alle Mitarbeiter im Alarmton zusammengetrommelt werden. »Früher hatten wir jede Menge
Feuerschutzübungen«, erinnert sich Thompson, »heute fast keine mehr. Alles eine Sache der Planung und Vorbereitung.« Chefs,
die wissen, dass sie ihre Schäfchen jederzeit zusammenrufen können, planen nicht so vorausschauend wie jene, die mit ROWE
arbeiten. Das bestätigt auch Kelly McDevitt: »Wir haben in der Online-Promotion oft extrem kurzfristige Arbeiten zu erledigen
– Sonderangebote, die innerhalb von Minuten noch in gestaltete Anzeigen integriert werden müssen. Das sprechen wir im Team
ab, kommunizieren per E-Mail und Handy – aber diese Aktualität ändert nichts daran, dass ROWE funktioniert.«
Für Konferenzen gilt dasselbe wie für »Feuerschutzübungen«. Manager überlegen sich genauer, ob sie ein Meeting einberufen
und zu welchem Zweck, seitdem sie wissen, dass Mitarbeiter vielleicht nur für diesen Termin extra in die Firma kommen und
sich beschweren würden, wenn es nur ein sinnloses Palaver war. Grundsätzlich entscheiden Angestellte bei Best Buy selbst,
ob ein Meeting für sie sehr wichtig ist (dann nehmen sie natürlich teil), interessant, aber nicht essenziell (dann schalten
sie sich per Telefonkonferenz dazu) oder größtenteils nicht relevant (dann lassen sie sich hinterher von einem Kollegen erzählen,
was besprochen wurde).
Um die Tragweite dieser Revolution am Arbeitsplatz zu verstehen, |151| muss man wissen, welche Art von Unternehmen Best Buy noch vor einigen Jahren war: »Extrem viele Meetings, sehr viel Stress,
sehr strenge Kontrollen«, erinnert sich Kelly McDevitt: »Die Leute haben morgens ihre Mäntel im Auto gelassen, damit es so
aussah, als wären sie schon früher in die Firma gekommen.« Und vor allem: »Wir haben endlos im Büro gesessen. Endlos! Der
Chef war noch da, die Kollegen waren noch da, keiner wollte der erste sein, der geht.«
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Ein Erfolgsrezept? Die Zahlen
Was hat ROWE der Firma gebracht? Die durchschnittliche Produktivität pro Mitarbeiter stieg um 35 Prozent. Die freiwillige
Kündigungsrate fiel um 52 Prozent in der Logistikabteilung und um satte 90 Prozent in der Online-Sparte des Unternehmens.
Andererseits stieg die Zahl der unfreiwilligen Kündigungen um 50 bis 70 Prozent. Weil sich unproduktive Mitarbeiter nicht
mehr hinter einer Show des Beschäftigt-Aussehens verstecken können, werden sie leichter enttarnt und gefeuert. Die Mitarbeiterzufriedenheit
ist nach Messungen des unabhängigen Gallup-Instituts so hoch wie nie zuvor in der Geschichte des Unternehmens. »Als noch nicht
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