Morgen komm ich später rein
Vorteilen für Arbeitgeber kaum zu trennen: So haben schon einige Studien belegt, wie mehr
Freiheit zu gesteigerter Kreativität und höherer Mitarbeiterzufriedenheit führt und weniger Ablenkung zu verbesserter Produktivität.
Im Folgenden sollen Beispiele deutscher Unternehmen illustrieren, wie die Easy Economy außerdem Workflows optimiert, das Wissensmanagement
und die Kommunikation verbessert, eine moderne Unternehmenskultur installiert, Immobilienkosten senkt, planerische Flexibilität
erhöht und schließlich hilft, die besten Köpfe fürs Unternehmen zu gewinnen. Zunächst aber wird es um das Paradebeispiel des
flexibilisierten und mobilen Arbeitsplatzes gehen: Einen Konzern, der sehr erfolgreich nahezu alles auf den Kopf gestellt
hat, was wir über Arbeit zu wissen glaubten und darüber, wie sie auszusehen hat.
145
149
145
149
false
Die Arbeitsplatzrevolution
Wenn Steve Hance, Personalbearbeiter in der Zentrale der größten US-amerikanischen Elektronikmarktkette Best Buy, Anrufe von
seinen Kollegen entgegennimmt, kann es sein, dass er das Handy in der |146| einen und ein Gewehr in der anderen Hand hält. Der leidenschaftliche Jäger hat neuerdings viel mehr Zeit, auch in der Woche
seinem Hobby nachzugehen. Das Geheimnis seiner neu entflammten Jagdbegeisterung heißt ROWE. Die allein erziehende Mutter Kelly
McDevitt, Promotions-Managerin bei Best Buy, kann durch ROWE nun freitags mit ihrer Tochter Boot fahren. Einkäufer Dean Jahnke
mailt lieber spätabends mit seinen Zulieferern aus Asien und hat dafür morgens frei. Dank ROWE konnte er seinen schwerkranken
Vater regelmäßig tagsüber zu Untersuchungen fahren und hat am Wochenende nachgearbeitet: »Ihn in dieser schwierigen Zeit zu
begleiten war mir unendlich wichtig. In welchem anderen Job wäre das möglich gewesen?«
ROWE steht für »Results only work environment«, zu deutsch: Eine Arbeitsumgebung, in der ausschließlich das Ergebnis zählt.
ROWE, vor vier Jahren bei Best Buy eingeführt, ist nichts weniger als eine Revolution des Büroalltags. Denn es schafft ihn
einfach ab. Mit ROWE gibt es überhaupt keine Anwesenheitspflicht mehr, keine Kernarbeitszeiten und kein Stundenzählen. Jeder
darf arbeiten wann, wo und so lange, wie er will. Hauptsache, er hält die vorab vereinbarten Ziele ein. Klingt wie Anarchie?
Klappt vielleicht in einem Kibbuz, aber nicht in der Zentrale eines großen Unternehmens? Dann treffen Sie sich mal mit Cali
Ressler und Jody Thompson, die ROWE erfunden und für alle der mehr als 4 000 Mitarbeiter in der Best Buy-Zentrale eingeführt
haben. Danach zweifeln Sie nicht mehr, dass ihre Erfindung schlichtweg die Arbeitsform der Zukunft ist. Und unser normaler
Büroalltag hoffnungslos veraltete Menschenschinderei.
Die Arbeitsplatzrevolution passiert ausgerechnet in einer erzkonservativen, biederen Stadt im amerikanische Mittelwesten:
Minneapolis. Die Straßen sind gesäumt mit großen Supermärkten und rustikalen Sportsbars, die Einwohner sind in der Regel übergewichtig,
die Geländewagen riesig. Dies ist nicht das Silicon Valley. Minneapolis ist auch weit entfernt von der kreativen Bohème San
Franciscos mit seinen schicken Straßencafés oder der internationalen Professionalität New Yorks, wo Innovationen täglich passieren |147| und die Menschen experimentierfreudig sind. In Minneapolis wird tagsüber ehrlich geschuftet und abends American Football geschaut.
Dass ausgerechnet hier der klassische 9-to-5-Arbeitstag auf den Müllhaufen der Industriegesellschaft geworfen wird, ist zumindest
überraschend. Gleichzeitig zeigt es: ROWE ist kein versponnenes New Economy-Experiment, keine studentisch inspirierte Freiberuflerromantik.
Bei Best Buy wird nicht geträumt, sondern professionell Geld verdient.
Der Freeway von der Innenstadt zum Industriegebiet führt in ein tristes Niemandsland aus verstreuten Bürogebäuden und Fast
Food-Restaurants. Die vier imposanten Türme der Best Buy-Zentrale sind schon von weitem zu sehen. Im Inneren landet der Besucher
als erstes in einer geräumigen Lounge mit Coffeeshop, bebilderter Firmenhistorie an der Wand und vielen Sitzecken, in denen
kleine Gruppen aus Mitarbeitern und Besuchern informelle Meetings halten – meist Handelsvertreter, die ihre neuesten Produkte
anpreisen. Erster Eindruck: Offenbar gehen doch viele Mitarbeiter ins Büro, auch wenn sie nicht mehr müssen.
Jody Thomson, eine resolute, warmherzige 50-Jährige im
Weitere Kostenlose Bücher