Morgen komm ich später rein
– wir hatten
Zeit, zur Schule zu gehen und mussten nichts mühsam
wieder verlernen. Aber auch die Leute in den Fünfzigern
dürften bald soweit sein.«
Douglas Coupland, Mikrosklaven
»Work smarter, not harder.«
Antonella Lorenz, Lorenzsoft
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Das Paradebeispiel
IBM zählt mit einem Umsatz von 91,4 Milliarden Dollar im Jahr 2006 zu den weltweit größten Anbietern im Bereich Informationstechnologie
(Hardware, Software und Services) und ist weltweit führend in On Demand-Businesslösungen. Das Unternehmen beschäftigt weltweit
rund 356 000 Mitarbeiter und ist in über 170 Ländern aktiv. Bei der IBM Deutschland GmbH arbeiten etwa 21 000 Mitarbeiter
an rund vierzig Standorten. Sie ist damit die größte Ländergesellschaft in Europa.
Wer Uwe Schimanski, Leiter Liegenschaften der IBM Deutschland, anruft, der hört im Hintergrund Kollegen plaudern und lachen.
Nicht unbedingt die typische Akustik fürs Büro einer Führungskraft. Aber Schimanski hat seinen Schreibtisch seit einiger Zeit
vom Eckbüro in den Großraum verlegt und bereut das trotz Geräuschkulisse keine Sekunde. Darf er eigentlich auch nicht, denn
er ist der Erfinder der vielleicht radikalsten Arbeitsplatzneudefinition, die je ein Unternehmen hierzulande durchgeführt
hat. Seit 1998 wird bei IBM nach dem »e-place«-Modell gearbeitet, das heißt non-territorial und mit |155| Desksharing. Mitarbeiter haben keinen festen Arbeitsplatz mehr, was nicht so schlimm ist, weil sie sowieso nicht mehr jeden
Tag reinkommen müssen. Der Ansatz gilt als Vorbild nahezu aller flexiblen und mobilen Bürosysteme, hat sich von Deutschland
aus bei IBM weltweit durchgesetzt, und andere Unternehmen pilgern seitdem nach Stuttgart, um sich das scheinbar Unfassbare
vor Ort anzuschauen. Im Interview erzählt Uwe Schimanski, wie alles anfing:
Uwe Schimanski: Früher hat man Telearbeit für eine bestimmte Gruppe von Mitarbeitern eingeführt, der man helfen wollte: Heimarbeit für Mütter,
denen man die Möglichkeit gibt, weiterzuarbeiten, ohne jeden Tag ins Büro zu kommen. Oder Kollegen mit einem Pflegefall in
der Familie. Das hat aber mit dem, was wir heute unter Mobilität verstehen, eigentlich nichts zu tun. Heute kann ich jederzeit
arbeiten, an jedem Ort, wie und mit wem ich will.
Das war vor kurzem noch undenkbar.
Schimanski: Stimmt. Andererseits fing es natürlich in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren schon an. Damals nutzte man Fax
und Computer mit Modem über Telefonleitungen, aber das war alles sehr langsam. Damit konnte man gerade noch einfache Dokumente
übertragen, aber keine Datenbankensuche oder Buchhaltung erledigen. Ich war damals weltweiter Einkaufsdirektor für IBM, bin
viel um die Welt geflogen und hatte von unterwegs immer Kontakt zum Unternehmen, wenn ich eine Telefonsteckdose oder D1-Empfang
hatte. Man sah: So geht es.
IBM hat dann den mobilen Arbeitsplatz so radikal umgesetzt wie zunächst
kaum ein anderes Unternehmen.
Schimanski: Der Fokus von IBM wurde in den neunziger Jahren bewusst vom Hardware produzierenden Unternehmen hin zu Software und Dienstleistungen
verlagert. Viel mehr Mitarbeiter waren plötzlich draußen beim Kunden. Auch intern änderte das die typischen Arbeitsprozesse:
Der Kunde hat ein Problem, das muss schnell gelöst werden. Also bildet man schnell Projektteams oder Arbeitsgruppen.
Wie muss sich deswegen das Arbeitsumfeld verändern?
Schimanski: Ich bin seit 1998 Liegenschaftschef. Damals hatten wir noch klassische Einzel- und Gruppenbüros. Und ich habe immer am Bedarf
vorbeigeplant. |156| Ständig musste ganz schnell Raum für ein neues Projekt geschaffen werden, aber bis ich umgebaut hatte, war das Projekt längst
woanders oder brauchte zum Beispiel dreimal so viele Leute wie ursprünglich geplant. Also haben wir uns grundsätzlich gefragt:
Wie muss ein Büro heute aussehen, welches sind die Bedürfnisse, was ist technisch möglich? Und wir haben gesagt: Die Leute
müssen sich in einem flexiblen, hochkommunikativen Umfeld bewegen können, aber einen qualitativ hochwertigen Arbeitsplatz
in einer angenehmen Büroatmosphäre vorfinden.
Klingt erstmal abstrakt. Was hieß das konkret?
Schimanski: Am Verfall der Telefongebühren, sowohl landgestützt als auch später im Mobilfunk, hat man gesehen, dass die Kosten für Kommunikation
eine immer geringere Rolle spielen. Wir haben damals gedacht: Den Einsatz dieser Technologie halten
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