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Morgen komm ich später rein

Titel: Morgen komm ich später rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Albers
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klassischen Business-Kostüm bestätigt das und schränkt zugleich ein:
     »Die meisten sind zumindest für ein paar Stunden am Tag im Büro. Aber es stehen nicht mehr – wie früher – alle um sieben im
     Stau, damit sie um acht am Schreibtisch sitzen. Sie kommen und gehen, wie sie wollen.« Arbeit – so das Mantra von Ressler
     und Thompson – ist bei Best Buy etwas, das man tut, nicht ein Ort, an den man morgens geht. Produktivität wird nicht mehr
     mit physischer Anwesenheit gleichgesetzt. Mitarbeiter, die erst um 14 Uhr im Büro auftauchen, sind keine Zuspätkommer. Andere,
     die um 14 Uhr schon wieder gehen machen keineswegs einen frühen Feierabend. Die Teilnahme an allen Meetings ist freiwillig.
     Es ist in Ordnung, Telefonkonferenzen von seinem Wohnzimmer aus zu halten. Mitarbeiter werden ermutigt, tagsüber einkaufen
     zu gehen, zum Sport oder sogar ins Kino. Niemand muss sich mehr rechtfertigen, wie er seine Zeit verbringt.
    Ressler und Thompson trafen sich erstmals 2003. Bei Best Buy begann der Arbeitstag damals um acht Uhr morgens, Abteilungsleiter |148| ließen ihre Mitarbeiter die Länge der Mittagspausen stempeln, wer früher gehen wollte, schlich sich über die Feuertreppe hinaus.
     Die beiden Frauen arbeiteten in der Personalabteilung des Unternehmens, und wollten diese anachronistische Tretmühle beenden.
     Der Auslöser war eine schon 2001 durchgeführte unternehmensweite Umfrage, laut der »im Grunde alle Angestellten sagten, ihre
     Vorgesetzten würden ihnen nicht vertrauen, jemand schaue immer über ihre Schulter«, so Ressler: »Sie hatten das Gefühl, dass
     sie kein glückliches, produktives, gesundes Leben führen konnten, auf die Art und Weise, wie sie es selbst für richtig hielten.«
    Also begannen Ressler und Thompson mit Teilzeitmodellen und Telearbeit zu experimentieren – jenen scheinbaren Lösungen für
     das Problem der Work-Life-Balance, wie sie auch in anderen Unternehmen angewendet werden. Doch die beiden Frauen waren sicher,
     dass so das grundlegende Problem nicht zu lösen sei: »Flexible Arrangements sind meistens ein Täuschungsmanöver«, so Thompson:
     »Sie gelten nur für bestimmte Jobs und man muss sich dafür bewerben, also sucht der Chef seine Lieblinge aus.« Das größere
     Problem stellten die Kollegen dar. Flexible Arbeitszeiten für wenige wirke wie ein Stigma: »Die anderen sehen in einem jene
     Person, die nicht loyal zur Firma steht, weil man morgens nicht zusammen mit allen am Schreibtisch sitzt. Und irgendwann merkt
     man, dass man nur eine Zelle gegen eine andere tauscht, denn es ist im Grunde egal, ob man von acht bis fünf am Montag arbeitet
     oder von sieben bis vier am Dienstag.«
    Außerdem beurteilen bei derartigen Modellen die Führungskräfte nach wie vor Leistung danach, wer besonders beschäftigt aussieht
     und wer die meisten Meetings besucht. Die wahre Lösung, so erkannten die beiden Frauen plötzlich, war es, alle alten Strukturen
     abzuschaffen. »Statt nur einigen Mitarbeitern Flexibilität einzuräumen, geben Sie sie allen. Niemand muss um Erlaubnis bitten«,
     erinnert sich Ressler an den Geistesblitz: »Wenn jemand seine Powerpoint-Präsentation bei Starbucks bearbeiten will – nur
     zu! Wenn das Wetter schön ist und jemand in den Park möchte – warum nicht? Die Mitarbeiter können tun, was sie wollen, solange
     die Arbeit erledigt wird.«
    |149| Zuerst überzeugten Ressler und Thompson zwei Abteilungsleiter, ihr Konzept auszuprobieren, dann verbreitete sich ROWE blitzschnell
     über das ganze Unternehmen. Ältere Mitarbeiter und viele Manager waren skeptisch, doch der Erfolg überzeugte die meisten Zweifler.
     Best Buy-Geschäftsführer Brad Anderson erfuhr erst 2005 von den umstürzlerischen Aktivitäten in seiner Firma, aber er erkannte
     gleich das Potenzial und unterstützt die beiden Damen seither bedingungslos.
    »Als erstes mussten wir aus den Köpfen der Leute rausbekommen, dass sie sich gegenseitig beobachten und schlecht über den
     anderen reden«, sagt Jody Thomson. Das Tratschen über die Arbeitszeit der Kollegen nennt sie »Sludge«, zu deutsch Klärschlamm.
     »Die Raucher machen ständig Extrapausen, die Mütter gehen immer so früh um ihre Kinder abzuholen – solche Sprüche sind in
     jedem Büro Alltag«, so Thompson. Bei Best Buy sind sie regelrecht verboten. »Wenn mich jemand anruft und fragt, wo ich gerade
     bin oder was ich mache, gibt es eine Standardantwort, die jeder Kollege geben darf: ›Was

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