Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
Bett, still und leise, und überlegte. Gedanken darüber, was passieren würde, wenn sie wiederkäme, hatte ich mir nie gemacht. Ich hatte einfach abgewartet. Nun war er da, der Tag, an dem sie entscheiden würde, wie es weitergeht.
Ich stand auf, ging ins Bad, duschte, putzte mir die Zähne, zog mich an. Dann betrat ich die Küche. »Morgen.«
Sie drehte sich um. »Gut geschlafen?«
Ich brummte etwas, weil ich nicht wusste, was ich antworten sollte, und ging ins Wohnzimmer. Der Tisch war gedeckt. Ich setzte mich, goss mir Kaffee ein, tat Zucker und Milch dazu, nahm mir ein Brötchen. Frisch, noch warm. Vermutlich vom Bäckerwagen, der samstags durch die Dörfer fuhr und seine Anwesenheit mittels lautem Klingeln ankündigte. Bis zu uns kam er nie, er hielt vorne an der Hauptstraße.
Thea stellte einen Eierbecher vor mich hin, legte einen Löffel dazu, nahm mit spitzen Fingern ein Ei aus dem Kocher. Dann setzte sie sich. Sie bediente sich mit Kaffee, schnitt eine Breze auf, bestrich sie mit Butter. Als sie abbiss, schaute sie mich an. Ich spürte ihren Blick mehr, als ich ihn sah, während ich mit dem Marmeladenglas beschäftigt war.
»Warst fleißig«, sagte sie zwischen zwei Bissen.
»Hm«, murmelte ich.
»Keine Vorlesungen gehabt?«
»Hab ich ausfallen lassen.«
»Arbeiten warst du auch nicht?«
»Nein.«
»Warst du krank oder einfach faul?«
»Ich brauchte Zeit für mich.«
Wir schwiegen. Aßen, tranken.
»Wir müssen reden.«
Waren diese Worte aus meinem Mund gekommen? Thea schaute überrascht von ihrer Zeitung auf, die sie auf dem Esstisch ausgebreitet hatte. Das Mittagessen war ebenso verlaufen wie das Frühstück: nahezu wortlos. Ich war in mein Zimmer gegangen, hatte ziellos im Internet gesurft, als der Druck in mir zu groß wurde. Ich warf den Laptop zu, holte tief Luft und ging ins Wohnzimmer.
»Aha«, entgegnete Thea.
»Das ist kein Leben, so kann ich nicht weitermachen. Ich habe Schuldgefühle, ich finde keine Ruhe mehr, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll ...« Ich verstummte.
Thea schaute mich nur an.
»Was willst du? Hier wohnen? Kannst du. Ich ziehe nach München, du kannst das Haus und alles darin haben.« Ich überlegte. »Die Rente meiner Mutter natürlich auch.« Ich breitete die Arme aus. »Mehr besitze ich nicht.«
Sie lehnte sich zurück.
»Und du?«, fragte sie.
»Was ist mit mir? Ich arbeite, verdiene mein Geld, suche mir eine Bude ...« Und lebe mein Leben ohne dich. Das sprach ich nicht aus, aber darauf lief es hinaus. Das wusste sie.
»Und alles ist vergessen?«, fragte sie kalt lächelnd. »So einfach geht das?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts ist vergessen. Ich werde das alles niemals vergessen können, auch wenn ich es gern würde.« Ich ließ mich auf die Armlehne von Mutters Sessel fallen. »Um mich jeden Tag zu erinnern, brauche ich dich nicht. Weder deine Anwesenheit noch deine unausgesprochene Erpressung.«
Nun war es ausgesprochen, das Wort.
Thea reagierte heftig. »Erpressung? Ich nenne das eine Rechnung bezahlen!«
»Eine Rechnung, die nicht deine ist!«, unterbrach ich sie. Auch ich war laut geworden.
»Wir können gern die Polizei als Schiedsrichter hinzuziehen!«, brüllte Thea.
Ihre Worte dröhnten schmerzhaft in meinen Ohren. Ich senkte den Kopf, zog ihn zwischen die Schultern ein. Wartete auf das Gefühl der Panik, das mich immer befallen hatte, wenn ich an die Konsequenzen meines Tuns dachte.
Ich wartete und wartete. Und stellte ungläubig fest, dass die Angst ausblieb. Theas einziges Druckmittel zeigte keine Wirkung mehr. Ich stand auf, sah auf sie hinunter.
»Das wirst du nicht tun.«
Thea schaute auf ihre Zeitung. Ich drehte ich mich um und ging.
19. Kapitel
Sie hatte nicht versucht, mich aufzuhalten. Ich hatte ein paar Klamotten, Bücher und meinen Laptop eingepackt, die Taschen in den Wagen geworfen und war zu Zecke gefahren. Als er mich vor seiner Tür stehen sah, mit hängenden Armen und hilfloser Bitte im Blick, trat er zur Seite und gab den Weg frei. Er fragte nicht, machte Kaffee, kippte Zucker in zwei Becher und goss Milch dazu. Das Gebräu war ungenießbar, aber es zeigte Wirkung.
»Kann ich bei dir bleiben?«
Zecke zog die Augenbrauen hoch.
»Nur für ein paar Tage, ich suche mir eine Bude. Ich meine, ich hab Geld und ...« Ich begann zu weinen. Tonlos. Tränen liefen meine Wangen hinunter, einige fing ich mit der Zunge auf. Sie schmeckten salzig.
Zecke erhob sich, hieb mir auf die Schulter. »Na, dann
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