Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
Vom Netzwerk:
wollen wir mal deine Sachen holen, was?«
     
    Wir fanden auf dem Speicher des alten Hauses, in dem Zecke eine Wohnung gemietet hatte, eine Luftmatratze. Wir legten sie auf den Boden des Zimmers, in dem er schlief. Ein Schrank, ein Bett, mehr war da nicht. Und jetzt meine Matratze.
    »Ein Bettlaken drüber, eine Decke, ein Kissen, und das passt für ein paar Tage.« Er überlegte. »Ein Schlafsack fährt sicher auch noch rum. Muss oben sein. Ich schau mal nach. Du kannst ja in der Zwischenzeit Kaffee kochen. Türkisch, nach Cowboy-Art, wie auch immer. Hauptsache, er tut, was er tun muss.«
     
    Später raspelten wir Gouda über Spaghetti, kippten reichlich Ketchup drüber und warfen uns mit unserem Essen auf das durchgesessene Sofa. Auf dem an der Wand hängenden Flachbildschirm lief Fußball ohne Ton. Ich starrte hin, kaute und schluckte, kaute und schluckte. Mein Kopf war leer.
    Zecke nahm die leeren Teller mit in die Küche und holte uns zwei Bier.
    »Magst du erzählen?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Ich bin so müde.«
    »Geh pennen!«
    »Nein, schlafen kann ich nicht. Ich bin anders müde, verstehst du?«
    Zecke brummte zustimmend und leerte mit einem Zug die Hälfte seiner Flasche.
    »Und was nun? Bist du nur mal für ein paar Tage weg oder für immer?«
    Ich trank einen Schluck, um Zeit zu gewinnen. »Ich kann das alles nicht mehr. Ich will ein neues Leben. Ich will frei sein.«
    Zecke lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Tisch, der vor dem Sofa stand. Er war bedeckt mit Zeitschriften. Ich erkannte psychologische Fachpublikationen, die neben Piercing- und Tattoomagazinen lagen. Dazwischen zerkrümelte Erdnussflips und eine Dose Nastro Azzuro. Die Wohnung passte zu ihrem Bewohner.
    »Du wirst schon etwas mehr erzählen müssen als bisher, wenn du möchtest, dass ich dich verstehe. Bis jetzt höre ich dir zu, akzeptiere Fragmente, die nicht zusammenpassen, und vermeide es, daraus ein Bild zusammenzusetzen. Aber wenn ich dir helfen soll, muss ich Zusammenhänge schaffen können.«
    So also klang Zecke, wenn er den Psychologen gab. Sachlich. Klare Worte, deutliche Aussprache, tadelloser Satzbau. Ich staunte. Trank mein Bier aus und erhob mich, um zwei neue Flaschen aus dem gut bestückten Kühlschrank zu holen. Auf dem Weg zur Küche, in der sich Geschirr in der Spüle stapelte, dachte ich über seine Worte nach, fragte mich, ob ich Zecke vertraute.
    Ich reichte ihm die Flasche, stieß mit ihm an, nahm einen Schluck. »Du hast recht.«
    Und ich erzählte ihm alles.
     

20. Kapitel
     
    Das Gespräch mit Professor Heintzmann verlief ungewohnt harmonisch. Er hörte sich geduldig an, welches Thema ich ihm für meine Masterarbeit vorschlug, stellte Fragen, regte kleinere Änderungen an und entließ mich mit aufmunternden Worten Richtung Verlag, wo ich meine Idee zum zweiten Mal unterbreiten sollte.
    Die anstehenden Vorlesungen versprachen langweilig zu werden, also setzte ich mich in die U-Bahn und fuhr nach Haidhausen, einem der ältesten Stadtteile Münchens.
    Ich schlenderte eine Allee entlang und bewunderte die Häuser, in denen ich mir gut vorstellen konnte, zu wohnen. Unbezahlbar, wie ein Blick durch die hohen Fenster auf die Jugendstildecken vermuten ließ. Dennoch lehnten vor vielen Haustüren alte Fahrräder, verdeutlichten dutzende handgeschriebene Namensschilder an den Briefkästen, dass Werbeagenturen und Freiberufler noch nicht alle Wohngemeinschaften verdrängt hatten.
    Ich betrat das Verlagsgebäude, ein vierstöckiges restauriertes Eckhaus, an dem über dem Eingangsportal mit der schweren Holztüre und dem Löwenkopf aus Messing eine Jahreszahl stand: 1899. Im Treppenhaus ausgetretene Holzstufen und ein knarrendes Geländer, an den Wänden Fotos, die die Geschichte des Gebäudes und des Verlages dokumentierten.
    Der Leiter des Lektorats, Dr. Hermann Otto, ein hagerer Mittfünfziger ohne Haare, saß zusammengesunken wie immer an seinem Computer und hämmerte mit zwei Fingern auf die Tastatur ein. Als er mich hörte, sah er auf. »Hoppla? Mit dir hatte ich nicht gerechnet. Aber gut, dass du da bist. Wir ersticken in Manuskripten.«
    »Ich bin nicht zum Arbeiten hier, sondern um etwas zu besprechen«, bremste ich.
    »Schade«, entgegnete er enttäuscht. »Worum geht´s?«
    »Um meine Masterarbeit. Ich hatte ja angekündigt, dass ich sie gern hier im Verlag schreiben würde.«
    »Ich erinnere mich. Nimm dir einen Kaffee, räum den Stapel von dem Stuhl und setz dich! Ich schicke nur schnell

Weitere Kostenlose Bücher