Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
obduziert.
Ich fragte mich, wie man aussah, wenn man so lange Zeit in einem Moor gelegen hatte. Ich hatte gelesen, dass Moorleichen konserviert wären, vorstellen aber konnte ich mir das nicht. Sah sie aus wie am Tag ihres Todes?
Ob man mir Fotos zeigen würde? Gänsehaut lief mir den Rücken hinauf und brachte meine Kopfhaut zum Kribbeln.
Als ich wieder auf meiner Pritsche lag und an die rissige Decke meiner Zelle starrte, fiel die Anspannung langsam von mir ab. Mein Nacken entkrampfte sich allmählich, auch die Kiefermuskulatur lockerte sich. Alles verlaufe nach Plan, hatte mir Petermann zugeflüstert, als er mich verabschiedete. Besser könne es gar nicht gehen. Wieso man mich dann nicht freiließe? Er hatte mir auf die Schulter geklopft, etwas von Geduld und Abwarten gemurmelt, während ich von einem Beamten in einen Polizeiwagen geschoben wurde.
Sie zeigen das in den Filmen also richtig, dachte ich. Jemand legt die Hand auf den Kopf dessen, der hinten einzusteigen hat, und drückt ihn hinunter. Warum machte man das? Ich nahm mir vor, beim nächsten Mal zu fragen.
Der dritte Tag. Erneut die Fahrt in die Innenstadt, vorbei an flanierenden Touristen, eiligen Geschäftsleuten, Müttern mit Kinderwägen, Joggern. Die Sonne schien, von Winter keine Spur.
Ich wurde in den bekannten Raum gebracht, wo bereits die beiden Kommissare und Steffen Petermann warteten. Mein Anwalt begrüßte mich mit festem Handschlag und der Frage, wie ich geschlafen hätte, die Polizisten nickten mir schweigend zu.
Ich ging zum Fenster, wollte in den Innenhof schauen, doch der Jüngere der beiden stellte sich mir in den Weg. »Hinsetzen.«
Ich zuckte zusammen. »Ich will doch nur ...«
»Hinsetzen!«, kam es energischer.
Petermann nickte mir zu und zog einen Stuhl zurück. »Die Herren haben Sorge, dass Sie aus dem Fenster springen könnten.«
»Aus dem ersten Stock? Durch die Gitter?«, fragte ich fassungslos.
Der Jurist lächelte. »Polizisten besitzen viel Phantasie. Sie könnten ja die Scheibe zerschlagen und sich mit einer Scherbe verletzen.«
Ich setzte mich. Die Beamten betrachteten mich ausdruckslos. Wir warteten.
»Was ist los?«, wandte ich mich nach einigen Minuten des Schweigens an Petermann. »Wo ist Dr. von Hamm? Was steht heute an?«
Er blickte von seinem Smartphone auf, nahm neben mir Platz. »Wir warten auf den Beschluss des Richters. Es soll doch einen Ortstermin geben, erinnern Sie sich?«
Ich nickte. »Es gibt Ungereimtheiten, hieß es. Man will rekonstruieren, was geschehen ist. Und wie.«
»Genau. Und damit eine derartige Veranstaltung an einem Tatort überhaupt stattfinden kann und korrekt und unanfechtbar abläuft, braucht man nicht nur ganz bestimmte Menschen, die alle zeitgleich anwesend sein müssen, sondern auch jede Menge ausgefülltes und gestempeltes Papier.«
Ich versuchte ein Lächeln. Wir warteten weiter.
Auf dem Weg hielten wir bei McDonald´s an, wo der Jüngere der Beamten die Bestellung seines Chefs aufnahm und widerwillig auch mir einen Burger und Cola brachte.
In Kleinspornach staunte ich über die vielen Fahrzeuge, die die Straße blockierten, im Hof und in der Einfahrt standen. Vor allem Münchner Autonummern waren zu sehen, aber auch der Mercedes mit Starnberger Kennzeichen von Dr. von Hamm parkte vor dem Haus.
Petermann war vor uns angekommen und lief nun zu unserem Auto herüber. »Presse«, knurrte er. »Das war ja klar. Ich habe für Sie eine Decke organisiert.« Er stutzte und schaute mich fragend an. »Oder wollen Sie fotografiert werden?«
Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
Die ersten Fotografen entdeckten mich und sprinteten in unsere Richtung. Petermann warf die Decke über mich und führte mich langsam zur Haustüre. Dort hatten Polizeitechniker einen Sichtschutz aus Planen aufgebaut. Uniformierte scheuchten die Fotografen und Journalisten hinter die nun eilig errichtete Absperrung aus rot-weißem Plastikband.
Dr. von Hamm reichte mir die Hand und zog mich beiseite. »Es geht hier um Details zum Tathergang. Insbesondere möchte man klären, ob Sie überhaupt in der Lage waren, ihre ... ähem, doch eher schwerere Mutter aus der Küche in den Hof und von dort in ein Fahrzeug zu schaffen.«
Ich begriff nicht. »Natürlich war ich in der Lage, wie wäre sie denn sonst ins Moor gekommen?«
»Nun, es könnte sich schließlich auch um eine geplante Tat gehandelt haben, nicht wahr? Insbesondere, wenn man eine Mittäterschaft der Theresa Steinbichler in Betracht
Weitere Kostenlose Bücher