Morgen wirst du sterben
nichts, im Grunde ging es um gar nichts. Der Chef hat mich vorgezogen, weil ich einen besseren Job gemacht hab. Sie war länger im Betrieb und eifersüchtig. Aber egal, vergessen wir’s. Ich bin froh, dass es vorbei ist.«
»Warum sind Sie gegangen? Sie hätten sich doch bei Ihrem Chef über die Kollegin beschweren können. Oder beim Betriebsrat. Vielleicht hätte man der anderen gekündigt, dann wären Sie das Problem los gewesen.«
»Aber wie hätte ich dann vor den anderen Kolleginnen dagestanden?« Yasmin schüttelte den Kopf. Aber dann lächelte sie. »Und außerdem: Wie würden Sie jetzt dastehen? Ohne mich?«
»Schlecht, ganz schlecht«, meinte Philipp lachend und winkte dem Kellner und bestellte eine Flasche Wein.
Bei der Nachspeise gingen sie zum Du über. Yasmin erzählte Philipp, dass sie sich vor einem halben Jahr von ihrem Freund getrennt habe. Oder vielmehr er von ihr. »Aber inzwischen bin ich drüber hinweg.«
Das wäre die ideale Gelegenheit für Philipp gewesen zu erwähnen, dass er sich in Kürze mit Vivian verloben wollte und dass sie gemeinsam in die Wohnung in Schwabing einziehen wollten. Aber er ergriff sie nicht. Hinterher versuchte er sich einzureden, dass er das Private außen vor lassen wollte. Aber das glaubte er selbst nicht.
Es waren Yasmins neue Stiefel, die ihm schließlich den Rest gaben. Dunkelrotes Leder, zehn Zentimeter Absätze, darüber ein ziemlich kurzer Rock, darüber die Bluse, die jetzt nicht mehr so weit zugeknöpft war, so stöckelte sie durch den Flur. Und an Philipps Schreibtisch vorbei. Es war ihr vollkommen egal, ob ihn das irritierte. Es irritierte ihn ja auch gar nicht. Es machte ihn geil.
Als Yasmin um sieben ihren Mantel von der Garderobe zog und ihren Schal umlegte, stand er ebenfalls auf. »Ich hab einen Bärenhunger«, sagte er. »Und du?«
»Ich auch. Und mein Kühlschrank ist total leer. Ich muss schnell noch was einkaufen, bevor der Supermarkt zumacht.«
»Vergiss den Supermarkt. Lass uns was essen gehen.«
Sie nickte sofort, als ob sie nur darauf gewartet hätte. Vielleicht hatte sie ja auch darauf gewartet.
Als sie das Büro gerade verließen, rief Vivian an.
»Wann kommst du denn? Wir warten alle schon.«
»Bitte? Wer ist wir?«
»Na, hör mal, mein Vater hat heute Geburtstag. Hast du das etwa vergessen?«
Natürlich hatte er das vergessen. Den Geburtstag von Vivians Vater vergaß er jedes Jahr. Genau wie den ihrer Mutter.
»Sollen wir mit dem Essen auf dich warten?«, fragte Vivian.
»Auf keinen Fall. Hör zu, Vivian, es wird schwierig heute. Ich hab … noch einen wichtigen Termin mit einem Kunden, ein neuer Kontakt. Hat sich spontan ergeben. Du weißt doch, dass es im Moment ein bisschen mau bei mir aussieht, also, ich hoffe, ihr habt Verständnis.«
Das war gemein, das war supergemein. Aber Yasmin wartete am Eingang zur Tiefgarage in ihren roten Stiefeln. Sie schrieb eine SMS und tat so, als ob sie nicht lauschte, aber Philipp war sich sicher, dass sie die Ohren spitzte.
»Das ist aber blöd«, sagte Vivian enttäuscht.
»Richte deinem Vater herzliche Glückwünsche aus«, sagte Philipp und legte auf. Und ging mit Yasmin essen, aber nicht zu Amadeo oder in die Languste oder in einen der anderen Läden, in die er für gewöhnlich mit Vivian ging. Er fuhr mit ihr in ein türkisches Restaurant in Haidhausen, das Marcel ihm einmal empfohlen hatte.
Das Ambiente war abscheulich, das Essen schmeckte scheußlich, und Philipp war sich sicher, dass Yasmin genau wusste, warum sie hier waren.
»Tut mir leid«, sagte er zerknirscht, als der Wirt die Rechnung und zwei Raki brachte. »Man sollte so was niemals tun.«
»Was?«, fragte sie amüsiert und wieder hatte er das unangenehme Gefühl, dass sie bis auf den Grund seiner Seele schauen konnte.
»Man sollte sich nicht auf Restauranttipps von Freunden verlassen.«
»Worauf denn sonst?«
Er zuckte mit den Schultern.
Sie schob den Raki von sich. »Ich brauch jetzt einen ordentlichen Drink. Du auch?«
Ja, das war ganz in Philipps Sinn. Diesmal schlug Yasmin die Kneipe vor. Zu seiner Erleichterung war es eine Bar in Bogenhausen, in der er noch nie gewesen war. Philipp trank drei Wodka und Yasmin vier.
»Wow«, meinte er beeindruckt. »Du bist aber ganz schön hart im Nehmen.«
»Das war nötig, um das schlechte Essen zu vergessen.«
»Noch einen?«
»Nee, danke.« Sie winkte dem Kellner. »Zahlen.«
Die Wodkas übernahm sie, obwohl Philipp alles versuchte, sie davon abzuhalten.
»Kann
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