Morgen wirst du sterben
hat. Aber wie soll man sich mit jemandem zusammenraufen, der so viel stärker ist als man selbst?
Ich hab keine Chance. Nicht einmal Mama hatte eine Chance gegen Papa, obwohl sie sich nicht vor ihm gefürchtet hat. Dad vielleicht, aber er weiß nicht, dass ich hier bin. Er weiß auch nicht, dass Mama in der Klapse ist.
Dad und Mama haben sich voll gestritten, weil Mama immer so viel weint, und Dad hat gesagt: Du bist ja total fertig!
Und da hat Mama geschrien. Aber die Schreierei kann Dad nicht ertragen, da ist er weggegangen und ein paar Tage später ist Mama in die Klapse gekommen. Ich muss ins Krankenhaus, hat sie mir gesagt, aber Sören hat mir erzählt, dass sie in Wirklichkeit in der Klapse ist.
Das ist kein schönes Wort, sagt Frau Heimann.
Jetzt wohn ich bei Papa und nach den Sommerferien geh ich in eine neue Schule.
Ist vielleicht besser so, sagt Frau Heimann.
Hoffentlich findet mich Dad bald und holt mich ab.
9
Julie und Christian. Christian und Julie. Wie man es drehte und wendete, es hörte sich seltsam an. Julie konnte sich einfach nicht an den Gedanken gewöhnen, dass sie jetzt ein Paar waren. Weil sich das, was sie für Christian empfand, nicht wie Liebe anfühlte. Sie mochte ihn, sie vertraute ihm, sie hatte ihn gerne um sich. Aber sie bekam keine Gänsehaut, wenn er sie anrief, und auch keine weichen Knie, wenn sie ihn sah.
Um nur gute Freunde zu sein, hatten sie allerdings eindeutig zu viel Sex. Seit dem Einbruch verbrachten sie eigentlich jede Nacht miteinander. Sie schliefen entweder oben in Julies Wohnung oder unten bei Christian. Glücklicherweise hatten sie beide breite Betten.
Am Abend nach dem Einbruch hatte Julie Christian beschworen, sie nicht allein zu lassen. »Wenn du nicht hier übernachtest, nehm ich mir ein Hotelzimmer. Ich bleib auf keinen Fall in der Wohnung.«
Also hatte er sein Bettzeug aus seiner Wohnung nach oben gebracht und auf dem Sofa geschlafen. Jedenfalls die halbe Nacht. Um zwei Uhr morgens war Julie zu ihm geschlichen und hatte ihn geküsst und dann war er in ihr Bett umgezogen.
Dafür, dass sie sich so wenig aus ihm machte, war der Sex mit ihm richtig gut. Vielleicht lag es daran, dass sie ihm gegenüber so entspannt war. Und dass sie wenig Vergleichsmöglichkeiten hatte. Bisher war sie nur mit Mark im Bett gewesen, mit dem sie ein knappes Jahr zusammen gewesen war. Und beim Sex mit Mark hatte sie sich die ganze Zeit selbst beobachtet. Sie war so darauf konzentriert gewesen, gut auszusehen, dass sie es nebenbei nicht mehr geschafft hatte, auch nur irgendetwas zu empfinden.
Christian dagegen musste sie nichts vormachen. Christian hatte sie schon so oft ungeschminkt erlebt, er hatte sie kotzen und heulen sehen und vollkommen hysterisch erlebt. Und fand sie trotzdem toll. Leider nicht toll genug, um für immer in Hamburg zu bleiben und auf sie aufzupassen.
Jedes zweite Wochenende fuhr er nach Bonn, besuchte seine Mutter und traf ehemalige Freunde und Arbeitskollegen, die ihn unbedingt, unbedingt wieder zurückhaben wollten. Weil er unter der Woche so viele Überstunden machte, fuhr er manchmal am Donnerstagabend schon. Wenn er am Freitag abreiste, kam er oft erst am Montag zurück.
Julie ärgerte sich darüber, dass er immer noch mit dem Gedanken spielte, nach Bonn zurückzugehen. Obwohl er doch jetzt mit ihr zusammen war und genau wusste, dass sie niemals mitgehen würde. Immerhin hatte sie in Hamburg einen Platz an der Schauspielschule. Und außerdem: Bonn oder Hamburg, da musste man doch nicht lange nachdenken!
»Ich muss Freitag wieder mal in die alte Heimat«, verkündete er ihr am Mittwochabend, als sie von der Arbeit kam. Auf dem Nachhauseweg hatte sie darüber nachgedacht, ob sie Christian nicht mal ihren alten Freunden vorstellen sollte. Immerhin waren sie jetzt schon fast drei Wochen zusammen. Vielleicht sollte sie mit Joe und Esther anfangen, die würden Christian bestimmt mögen.
»Bitte was?«, fragte sie jetzt entgeistert. »Aber du warst doch erst letztes Wochenende in Bonn. Warum fährst du denn jetzt schon wieder?«
»Ein ehemaliger Klassenkamerad feiert seinen Junggesellenabschied. Kannst ja mitkommen, wenn du magst. Meine Mutter ist ganz heiß darauf, dich kennenzulernen.«
»Ach wirklich?« Julie versuchte sich vorzustellen, wie er sie nannte, wenn er vor anderen von ihr sprach. Meine Freundin. Eine Nachbarin. Die Schauspielschülerin. »Was soll ich bei einem Junggesellenabschied? Da sind doch nur Männer, oder?«
»Stimmt«, gab
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