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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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weggerannt.«
    »Weggerannt?«
    »Nachdem er den Kater umgebracht hat.«
    »Wie bitte? Was redest du denn da, Sophia?«
    »Moritz hat die Regentonne nicht richtig abgedeckt«, erklärte sie finster. »Egon ist reingefallen und ertrunken. Ich hab ihn gerade begraben.«
    »Du hast … was?«
    »Egon«, sagte Sophia gereizt. »Der Kater von Frau Blunt, den ich immer füttere. Moritz hat ihn auf dem Gewissen. Und nachdem er ihn gefunden hat, musste ich ihn auch noch begraben, weil Moritz abgehauen ist.«
    »Hat Moritz … ist er …?« Ihr Vater wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Wo ist er denn hingerannt? Hat er was gesagt?«
    »Ich weiß es nicht«, zischte Sophia. »Wahrscheinlich musste er zur Arbeit. Gibt schließlich Wichtigeres als so einen armen Kater.« Sie sah Egon plötzlich wieder vor sich, wie nass und klein und elend er ausgesehen hatte. Wie lange er in der Regentonne wohl gekämpft hatte, bevor er ertrunken war?
    »Das mit der Regentonne war nicht Moritz’ Schuld«, sagte ihr Vater. »Ich habe gestern die Blumen gegossen und hinterher vergessen, die Abdeckung wieder auf die Tonne zu legen. Es war mein Fehler.« Jetzt fuhr er sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Wie er schwitzte! Die Haare klebten an seiner Stirn, Schweißperlen rollten über Schläfen und Wangen. »Mein Gott«, murmelte er. »Meine Güte.«
    »Allerdings«, sagte Sophia. »Aber ich finde es trotzdem nicht in Ordnung, dass Moritz einfach wegrennt, wenn so was passiert. Egon war schließlich auch mein Kater, ich meine, zumindest ein bisschen.« Der Rest des Satzes ging in Tränen unter. Die Umrisse ihres Vaters verschwammen vor ihren Augen.
    »Ich weiß. Es tut mir leid.« Er zog sie an sich und streichelte ihr über den Kopf. Sie weinte an seiner Schulter, ihre Tränen vermischten sich mit seinem Schweiß. Als sie sich wieder beruhigt hatte und aus seiner Umarmung löste, sah sie, dass er zitterte. Dabei hatte er Egon doch nie richtig zur Kenntnis genommen.
    »Wir müssen Frau Blunt Bescheid sagen«, meinte Sophia.
    »Ich mach das.«
    »Nein, lass mal. Sie ist so verwirrt. Ich geh nachher bei ihr vorbei.«
    »Ich sag ihr Bescheid«, beharrte ihr Vater. »Wirklich, das ist das Mindeste. Immerhin war es mein Fehler.«
    Sophia zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst.« Sie war nicht scharf auf das Gespräch mit der verkalkten Nachbarin.
    »Weißt du, ob Moritz sein Handy dabeihat?«
    »Keine Ahnung.«
    Er nickte. »Ich muss jetzt leider wieder los«, sagte er dann. »Kommst du zurecht, Sophia?«
    »Natürlich.«
    »Ich möchte, dass du heute in der Wohnung bleibst.«
    Sie sah ihn verständnislos an. »Wieso das denn?«
    Er räusperte sich. »Ich erwarte … ein Paket. Eine wichtige Lieferung. Ich wäre dir dankbar, wenn du es entgegennehmen könntest.«
    »Heißt das, ich soll den ganzen Nachmittag auf den Postboten warten?«
    »Es ist wichtig, Sophia. Bitte, tu mir den Gefallen!« Er zog sein Handy aus der Tasche, starrte auf das Display, runzelte die Stirn und steckte es dann wieder ein. »Ich kann mich doch auf dich verlassen?«
    »Ist alles in Ordnung, Papa?«
    »Natürlich. Bei mir schon.«
    »Du bist irgendwie … ich weiß auch nicht.«
    »Unsinn«, sagte ihr Vater. »Ich muss jetzt los.«
    »Wolltest du nicht etwas holen?«, fragte Sophia, als er schon an der Tür war. »Deshalb bist du doch nach Hause gekommen.«
    »Nein«, sagte er. »Das hast du falsch verstanden. Ich bin nur wegen diesem Paket gekommen. Du wartest auf den Boten, versprochen?«
    Sie nickte widerwillig. »Warum hast du mich nicht einfach angerufen?«
    »Ich hatte gehofft, dass der Paketdienst vielleicht schon hier war.« Er blickte sich suchend um, als hoffte er, die Lieferung doch noch irgendwo zu entdecken. »Na, dann. Wir sehen uns heute Abend.«
    »Alles okay, Papa?«, fragte Sophia noch einmal.
    Einen Moment lang wirkte er, als ob er ihr etwas sagen wollte. Aber dann nickte er ihr nur zu. Und ging.
    Fünf Minuten später rief Julia an und fragte, ob Sophia mit ins Schwimmbad wolle. Inzwischen zeigte das Thermometer auf der Terrasse dreißig Grad im Schatten.
    »Ich kann nicht weg«, sagte Sophia. »Ich hab meinem Vater leider versprochen, hier auf den Paketdienst zu warten.«
    »Was, bei der Hitze?«, meinte Julia. »Da hätte ich ja keinen Bock drauf. Aber wie du meinst.«
    »Vielleicht kann ich ja nachkommen.«
    »Klar. Wir sind im Rheinstadion.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, hätte Sophia am liebsten wieder geheult. Es kam alle

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