Morgen wirst du sterben
Jahren gestorben, da war Philipp gerade achtzehn. Damals war Jochen hin- und hergerissen, ob er sich bei ihm melden sollte. Aber irgendwie hat er sich nicht getraut. Ich glaube, er hat darauf gehofft, dass Philipp als Erster Kontakt aufnimmt. Aber nichts, kein Anruf, kein Brief.«
»Vielleicht hat Philipp ja darauf gewartet, dass Papa sich meldet«, gab Sophia zu bedenken.
»Vielleicht.« Aber dann schüttelte ihre Mutter den Kopf. »Ich muss gestehen, ich war erleichtert, dass sie sich nicht getroffen haben. Man kann sich ja vorstellen, was Philipps Mutter ihrem Sohn über seinen Vater erzählt hat. Er hat sicher ein vollkommen verqueres Bild von Jochen. So was lässt sich nach so langer Zeit doch kaum wieder zurechtrücken.«
»Ich möchte bloß mal wissen, ob er auch diese Mails bekommen hat«, meinte Moritz nachdenklich.
»Philipp?«, fragte seine Mutter alarmiert. »Wie kommst du denn darauf? Das wäre doch total verrückt!«
»Na und? Passt doch. Die ganze Geschichte ist total verrückt.«
Ihre Mutter füllte Espressopulver in den Filtereinsatz der Kaffeemaschine und stellte zwei Espressotassen unter die Düse. Die Maschine heulte kurz auf, dann strömte schwarzer Kaffee in die Tassen. Frau Rothe reichte eine Tasse Moritz, die andere Sophia.
»Du musst los, Sophia.«
»Ich geh heut nicht in die Schule. Was soll ich denn dort? Schon in einer Woche sind Ferien. Wir müssen zur Polizei. Wenn die von den anonymen Botschaften hört, kommt sie bestimmt in Bewegung. Es ist höchste Zeit, dass sie der Sache nachgeht.«
Der zuständige Kriminalkommissar hieß Becker. Ein Mann um die fünfzig, mit Bierbauch, Schnauzbart, spiegelnder Glatze und einem resignierten Ausdruck im Gesicht. Als sie ihm die E-Mails und die anonymen SMS zeigten, verwandelte sich die Resignation jedoch in verhaltenes Interesse. »Drohbotschaften?«, fragte er hoffnungsvoll. »Da hätten wir ja etwas in der Hand …«
Aber dann las er die Nachrichten und schüttelte ratlos den Kopf.
»Meiner Meinung nach hört sich das eher nach einem Scherz unter Jugendlichen an. Die Drohung richtet sich ja auch gar nicht gegen Ihren Vater.«
»Ein Scherz?«, fragte Moritz befremdet. »Der Typ, der das geschrieben hat, hat unsere Katze in der Regentonne ertränkt. Und vorher hat er mir das Ganze per SMS angekündigt. Finden Sie das etwa auch lustig?«
»Er hat Ihnen mitgeteilt, dass er Ihre Katze ertränken will?«
»Es war unser Kater. Na ja, eigentlich gehörte er gar nicht uns, sondern der Nachbarin«, korrigierte Sophia. »Aber …«
Becker unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Wo ist denn diese SMS ?«
»Die hab ich gelöscht.«
»Aha«, sagte Becker und machte sich eine Notiz, die Sophia nicht entziffern konnte.
»Wir werden herausfinden, ob die einzelnen Vorfälle miteinander in Verbindung stehen«, murmelte er dann. »Allerdings ist Ihr Vater nicht an dem Tag verschwunden, der in der Mail erwähnt wird …« Er schob seine Lesebrille wieder auf die Nase und suchte die betreffende Stelle, »… am 2. Juli.« Dann strich er grübelnd über seinen Schnauzer.
»Die Mail bezieht sich ja auch nicht auf ihn, sondern auf uns«, sagte Sophia.
»Diese letzte SMS «, Moritz reichte ihm sein Handy mit der Nachricht auf dem Display, »da spricht der Entführer von den Kindern des Gottlosen. Damit meint er uns.« Er machte eine kurze Pause. »Es gibt aber noch ein Kind.«
Becker blickte fragend zu Frau Rothe, die einen kurzen Moment zögerte und dann nickte. »Ein Sohn aus der ersten Ehe meines Mannes. Er lebt in München.«
Sophia kramte das Scheidungsurteil aus ihrer Tasche und reichte es dem Kommissar, der es eine Weile lang studierte.
»Und? Hat dieser Philipp ebenfalls anonyme Mails oder SMS bekommen?«
»Das wissen wir nicht. Wir haben keinen Kontakt zu ihm«, sagte Frau Rothe leise.
»Aha«, sagte Becker wieder. »Dann werde ich ihn einmal anrufen und nachfragen. Haben Sie seine aktuelle Telefonnummer oder Adresse?«
»Nichts«, sagte Frau Rothe. »Wie gesagt, ich kenne ihn gar nicht. Mein Mann hat seit der Scheidung keine Verbindungen mehr nach München.«
»Das kriegen wir schon raus. Und wir werden versuchen den Urheber der E-Mails ausfindig zu machen. Bitte leiten Sie mir sämtliche Nachrichten weiter, die Sie bisher erhalten haben.« Er reichte Sophia seine Visitenkarte. »Den Absender der SMS werden wir natürlich ebenfalls überprüfen.«
»Der Typ hat unter Garantie eine Prepaid-Karte benutzt, die nicht
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