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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Schulgeld für mich. Aber wahrscheinlich hat er auch extra das beschissenste Angebot für mich rausgesucht.
    Das tut dir vielleicht ganz gut, sagt er. Vielleicht denkst du dann mal nach. Vielleicht kommt dir dann mal, wie bescheuert du dich aufgeführt hast. Zweimal von der Schule fliegen, wo gibt’s denn so was. Sechzehn und noch in der Achten, das muss man sich mal reinziehn.
    Halt du doch dein blödes Maul, sag ich. Wenn du mich damals nicht immer so verdroschen hättest, hättest du dir das Scheißgeld sparen können. Dann hätte ich jetzt schon meinen Abschluss oder würde Abi machen.
    Da guckt er, als würd er mir am liebsten gleich wieder eine knallen, aber das traut er sich nicht.
    Ich teil mir das Zimmer mit einer Aknefresse, einem Stotterer und einem Bindestrich-Bubi. Ist ja klar, dass die mich als Neuen zu den Losern stecken, da will ja sonst keiner rein. Mir ist scheißegal, mit wem ich auf dem Zimmer bin und was die anderen von mir denken. Ich will nur, dass die mich in Ruhe lassen. Das mach ich auch direkt am Anfang klar.
    Der Oberchecker in meiner Klasse heißt Marco, der hat den Rest im Griff. Der muss nur einmal kurz husten und schon fallen sie über dich her wie die Fliegen über ein Stück Scheiße. Der guckt mich beim Abendessen so schräg an, mit einem komischen Grinsen in der Fresse.
    Is was, frag ich ihn.
    Was soll sein?, fragt er und grinst noch blöder.
    Er sitzt und ich stehe, aber jetzt beug ich mich runter zu ihm, ganz dicht, als ob ich ihn knutschen will. Er riecht nach Schinkenbrot und Früchtetee, ich frag mich, wonach ich rieche.
    Wenn du mir auf den Sack gehst, fick ich dich, sag ich ganz leise. Und richte mich auf und seh, wie einer der Lehrer aufsteht und zu uns rüberkommt wie ein Aufseher im Knast.
    Gibt’s hier Probleme?, fragt er.
    Nee, sag ich und geh weg.
    Marco, die feige Sau, erzählt ihm sofort, was ich gesagt habe. Ich bin gerade mal einen Tag im Internat und hab schon die erste Verwarnung.
    Aber danach lassen sie mich in Ruhe.

14
    Für Sophia war ihr Vater immer der Fels in der Brandung gewesen. Ihre Mutter war oft launisch und änderte ihre Meinung von einem Moment zum anderen. Aber auf ihren Vater war Verlass.
    Und jetzt das. Eine Exfrau. Ein Halbbruder, von dem sie und Moritz keine Ahnung gehabt hatten. Und das war vermutlich nur die Spitze des Eisbergs.
    »Warum habt ihr uns nie davon erzählt?«, fragte Moritz ihre Mutter am Morgen, nachdem sie das Scheidungsurteil gefunden hatten.
    »Was verbergt ihr sonst noch alles vor uns?«, wollte Sophia wissen.
    Frau Rothe schaltete die Espressomaschine an. Sie war gerade aufgestanden und trug noch ihren Schlafanzug. Die Haut unter ihren Augen war grau und zerknittert wie Seidenpapier. Auf ihren Wangen winzige rote Äderchen. Wahrscheinlich hatte sie die ganze Nacht nicht richtig geschlafen.
    »Woher wisst ihr das?«, fragte sie, ohne ihre Kinder dabei anzusehen.
    »Ist doch jetzt egal«, sagte Moritz. »Wir wissen es eben.«
    Frau Rothe nickte stumm. »Es war Jochens Entscheidung, er wollte nicht, dass ihr von eurem Stiefbruder erfahrt. ›Später, wenn sie größer sind‹, hat er immer gesagt. Aber je älter ihr wurdet, desto schwieriger wurde es, euch alles zu erzählen. Also haben wir es ganz gelassen.«
    »Aber warum?«, rief Moritz. »So eine Scheidung ist doch heute keine Schande mehr. Jedes zweite Ehepaar trennt sich.«
    »Ich glaube, euer Vater hat sich dafür geschämt, dass er keinen Kontakt zu Philipp hatte. Er war doch sein Sohn.«
    »Und woran lag das?«, fragte Sophia.
    »Seine Exfrau wollte das nicht. Sie konnte ihm nicht verzeihen, dass er sie verlassen hat.«
    »Warum haben sie sich denn getrennt? Wegen dir?«, erkundigte sich Moritz.
    »Nein. Das war lange vor unserer Zeit. Als ich Jochen kennenlernte, war er schon geschieden.«
    »Philipp ist inzwischen dreiundzwanzig. Und in all den Jahren hat seine Mutter Papa den Kontakt zu ihm verboten?«, wollte Sophia wissen. »Geht das überhaupt? Ein Vater hat doch automatisch Besuchsrecht, es sei denn, er ist gewalttätig oder vollkommen asozial.«
    »Die Mutter hat sich aber mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass er den Jungen sieht. Sie hat sehr darunter gelitten, dass Jochen sich von ihr getrennt hatte. Und er wollte sie nicht noch mehr verletzen. Ihr kennt doch euren Vater, er ist so konfliktscheu.«
    Sophia unterdrückte ein verächtliches Schnauben. Ihr kennt doch euren Vater. Das war ja wohl ein Witz.
    »Jochens Exfrau ist vor fünf oder sechs

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