Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
Vom Netzwerk:
Handbewegung in der Luft. Reden Sie weiter, hieß das. Vielleicht brauchten sie Zeit, um den Anruf zurückzuverfolgen.
    »Worum geht es denn?«, fragte Sophia mit zitternder Stimme.
    »Das würde ich Herrn Rothe ganz gerne persönlich sagen.«
    Moritz starrte sie mit offenem Mund an. Der Polizeibeamte nickte ihr zu. Weiter, machen Sie weiter. Aber wie, verriet er ihr nicht.
    »Das geht jetzt nicht. Mein Vater ist nicht da.«
    Schweigen am anderen Ende. Wie ein professioneller Kidnapper benahm sich die Anruferin nicht gerade. Es kam Sophia eher so vor, als ob sie sich überhaupt nicht überlegt hatte, was sie sagen wollte.
    »Sind Sie noch dran?«, fragte sie in das Schweigen hinein.
    »Wann kommt er denn wieder?«, erkundigte sich die Frau.
    Ein fragender Blick zu Moritz, der genauso fragend zurückblickte. Der Polizeibeamte war auch keine Hilfe.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Mein Vater ist weg.«
    »Weg?«, fragte die Fremde irritiert.
    »Er ist verschwunden«, sagte Sophia und merkte gleichzeitig, wie ihr schwindlig wurde. Der Raum begann sich um sie zu drehen, schneller und immer schneller, wie in einem Kettenkarussell. Dann kippte die Zimmerdecke nach unten und der Boden schwang nach oben und Sophia wurde ohnmächtig.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf dem Sofa. Der Polizist und Moritz schauten besorgt auf sie herunter.
    »Liegen bleiben«, sagte der Polizeibeamte, als sie sich aufsetzen wollte. »Wir holen einen Arzt.«
    »Ach Quatsch. Mir geht’s schon wieder gut.« Der Raum schwankte jetzt nur noch sanft hin und her, als wäre sie auf einem Schiff. Sie schloss die Augen, aber das machte das Schwanken schlimmer, also öffnete sie sie wieder.
    »Sind Sie sicher?«, fragte der Polizist.
    Sophia nickte »Konnten Sie den Anruf zurückverfolgen?«, erkundigte sie sich dann.
    »Natürlich. Die Anfrage läuft. Ich nehme nicht an, dass Sie die Stimme erkannt haben?«
    Sophia schüttelte den Kopf, was den Raum sofort wieder stärker in Bewegung versetzte.
    »Das Material dürfte für die Stimmerkennung genügen. Aber vielleicht verrät uns der Anschluss ja bereits die Identität der Anruferin.«
    »Vielleicht war es seine Freundin«, sagte Moritz.
    Die Stimme der Frau hatte so jung geklungen. Ihr Vater war fünfundfünfzig, neun Jahre älter als ihre Mutter. Vielleicht war sie ihm ja trotzdem zu alt, man hörte ja oft, dass sich ältere Männer Freundinnen im Alter ihrer Töchter nahmen. Aber Papa doch nicht, dachte Sophia.
    »Sind Sie sicher, dass wir nicht doch einen Arzt holen sollen?«, fragte der Polizist.
    »Ganz sicher. Ich bleibe nur noch ein bisschen liegen«, flüsterte Sophia. »Tut mir leid, dass ich die Sache vermasselt habe.«
    »Unsinn«, sagte der Beamte. »Sie haben das sehr gut gemacht. Machen Sie sich keine Sorgen. Alles läuft bestens.«
    Sie glaubte ihm kein Wort. Der Raum stand jetzt endlich still und er blieb auch still, als sie die Augen wieder schloss.
    Sie hörte den Beamten und Moritz reden, aber was sie sagten, verstand sie nicht.
    Sie wachte wieder auf, weil ihr Zigarettenrauch in die Nase stieg. Als sie die Augen aufmachte, sah sie ihre Mutter mitten im Zimmer stehen und rauchen.
    Sie hatte noch nie zuvor erlebt, dass ihre Mutter in der Wohnung rauchte. Das konnte nur bedeuten, dass etwas Schlimmes passiert war.
    Sie haben Papa gefunden, dachte sie.
    »Ihre Tochter ist wieder zu sich gekommen«, sagte Herr Becker, der neben ihrer Mutter stand.
    Frau Rothe nahm einen letzten tiefen Zug und drückte die Zigarette dann in einer Untertasse aus.
    »Alles okay, Sophia?«, fragte sie mit rauer Stimme.
    »Was ist mit Papa? Ist er …?«
    »Nein, nein!« Kommissar Becker hob erschrocken beide Hände. Dann räusperte er sich. Vielleicht wartete er darauf, dass Frau Rothe das Wort ergriff. Aber sie putzte sich nur die Nase und schwieg.
    »Es ist nämlich so«, fuhr Becker fort, »dass Ihr Vater nicht nur für den Sohn in München Alimente zahlt. Es gibt auch noch eine Tochter in Hamburg.«
    »Wie bitte?« Moritz starrte zuerst den Kommissar an, dann seine Mutter, dann wieder den Kommissar.
    »Wie alt?«, fragte Sophia tonlos.
    »Achtzehn Jahre. Ich gehe davon aus, dass Sie auch von dieser Schwester nichts wussten?«, fragte Becker.
    »Da liegen Sie richtig«, sagte Moritz.
    »Also, so was!«, sagte Frau Rothe. Sie hielt sich an ihrem Glas fest wie an einem Treppengeländer. Es war schon ihr dritter Cognac, den ersten hatte sie sich eingeschenkt, bevor sich die Tür hinter den Polizisten

Weitere Kostenlose Bücher