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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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den Park verließ und die Osterwaldstraße überquerte. Ein Spinner, der die falsche Nummer erwischt hatte.
    Und der Wasserschaden in der Wohnung?, hörte er Marcel fragen. War das auch der Spinner? Nachdem er zufällig deine Nummer erwischt hat, ist er auch noch aus Versehen in deine Wohnung gestolpert? Das glaubst du doch wohl selbst nicht!
    Natürlich nicht, dachte Philipp und fühlte auf einmal eine große Wut in sich aufsteigen. Auf Vivian, die weggefahren war, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen. Auf Marcel, der ihn auch noch im Stich gelassen hatte. Auf seinen Vater, der sich nie bei ihm gemeldet hatte und an den Philipp so wenig wie möglich dachte. Aber die blöde SMS hatte die Erinnerung an ihn zurückgebracht.
    »Ihr könnt mich alle mal, aber kreuzweise!«, sagte Philipp und kickte mit dem Fuß gegen die Metalltür einer Mülltonnenbox. Die Box schepperte so laut, dass in dem Haus dahinter prompt ein Fenster aufging.
    Eine ältere Frau blickte vorwurfsvoll zu Philipp herunter.
    Er zeigte ihr den Finger und ging einfach weiter.
    Gut, dass Vivian das nicht gesehen hatte.
    Als er am nächsten Morgen ins Büro kam, empfing ihn Frau Klopp schon im Flur. »Die Polizei hat gerade hier angerufen«, flüsterte sie ihm verschwörerisch zu. Dabei war außer ihm und ihr niemand im Raum. »Sie möchten sich bitte umgehend dort melden.«
    Sie drückte ihm einen Notizzettel mit der Telefonnummer in die Hand.
    Hauptkommissar Becker, las Philipp. Kriminalpolizei Düsseldorf. »Düsseldorf?«, fragte er laut.
    »Ja«, gab Frau Klopp zurück, immer noch im Flüsterton. Auf ihrem Gesicht zeichneten sich eine Menge Fragen ab, die sie nicht zu stellen wagte.
    Sie hätte auch keine Antwort bekommen. Philipp zog sich mit der Telefonnummer in sein Zimmer zurück und machte die Tür hinter sich zu. Seine Hand war ganz ruhig, als er nach dem Telefon griff, um die Nummer zu wählen. Das war komisch, weil er eigentlich zitterte, aber das Zittern war tief in ihm wie ein Tsunami, der sich unten am Meeresboden bildet, um erst später an die Oberfläche zu treten.
    »Es geht um Ihren Vater«, erklärte ihm Hauptkommissar Becker und machte eine Pause. Vielleicht wartete er darauf, dass Philipp aufschrie oder auflegte oder wenigstens nachfragte. Er tat aber nichts dergleichen. Er wartete ab, bis der Hauptkommissar weitersprach.
    »Er wird vermisst.«
    Philipp räusperte sich. »Ich kenne meinen Vater nicht«, sagte er. »Ich hab ihn nie getroffen.«
    »Das weiß ich«, sagte der Hauptkommissar. »Wir haben dennoch einige Fragen an Sie. Reine Routine.«
    Die SMS , dachte Philipp. Also doch. Die Geschichte ist nicht vorbei. Sie fängt jetzt erst richtig an.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie in den nächsten Tagen in Düsseldorf sind?«, fragte Becker.
    »Natürlich nicht«, sagte Philipp.
    »Dann müsste ich Sie bitten, mit den Kollegen in München Kontakt aufzunehmen.« Er nannte ihm einen Namen und eine Telefonnummer. Polizeipräsidium, Ettstraße 2. Philipp notierte sich die Angaben mechanisch.
    »Können Sie mir bitte erklären, was passiert ist?«, fragte er dann.
    »Das versuchen wir ja gerade herauszubekommen. Wie schon gesagt, Ihr Vater ist verschwunden. Seit Mittwoch letzter Woche fehlt jede Spur von ihm. Die Familie macht sich natürlich größte Sorgen.«
    »Die Familie?«, fragte Philipp und stellte überrascht fest, dass er bisher davon ausgegangen war, dass sein Vater allein lebte. Dabei lag es auf der Hand, dass es eine Familie gab. Wahrscheinlich war die neue Frau der Grund gewesen, warum er sich damals von Philipps Mutter getrennt hatte. »Gibt es … Kinder?«
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Ich sagte doch, ich hatte keinen Kontakt zu meinem Vater.«
    »Na ja, aber über die Familienverhältnisse weiß man doch im Allgemeinen Bescheid.« Philipp stellte sich vor, wie Kommissar Becker seinen Namen in diesem Moment von der Zeugenliste strich. Vielleicht setzte er ihn stattdessen auf die Liste der Verdächtigen.
    »Ich weiß nichts über ihn. Hat mein Vater denn nun weitere Kinder oder dürfen Sie mir darüber keine Auskunft geben?«
    »Zwei«, sagte Becker. »Ein Junge, neunzehn, und ein Mädchen, sechzehn.«
    Ein Bruder und eine Schwester. Als Philipp klein gewesen war, hatte er sich immer vorgestellt, dass er eine unsichtbare kleine Schwester hatte. Willa hatte er sie genannt. Die Vorstellung war fast zur Manie geworden, irgendwann hatte seine Mutter ihn deshalb sogar zum Kinderpsychologen geschleppt, der ihr allerdings

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