Morgendaemmerung der Liebe
den geschmeidigen Stoff. Allein die Vorstellung, in diesem Kleid vor Jake zu treten, beschleunigte ihren Puls. Sie stellte sich vor, wie das Material sich um ihren Körper schmiegen würde. Viel könnte sie darunter nicht tragen …
„Es ist wunderschön, aber sicherlich ein wenig zu gewagt für eine Firmenfeier.“
„Unsinn!“ Der Kommentar ihrer Mutter erstaunte sie. „In London würde kein Mensch auch nur mit der Wimper zucken. So weit hinken wir hier in York der Großstadt nicht hinterher! Also los, probier es schon an.“
Jessica blieb nichts anderes übrig, als sich in die Umkleidekabine zurückzuziehen. Das Kleid schmiegte sich eng um jede einzelne Rundung. Vorn hochgeschlossen, war der Rücken weit ausgeschnitten, der schwingende Rock wippte aufreizend um ihre Knie.
„Siehst du jetzt, was ich meine?“, fragte Jessica sofort, als sie den Vorhang beiseite zog.
„Du siehst umwerfend aus!“ Margaret war fasziniert. Dann lächelte sie verschmitzt. „Befürchtest du, Jake könnte nicht einverstanden sein? Ich weiß, er wird eifersüchtig sein, aber das sind alle verliebten Männer. Doch er wird stolz sein, mit dir gesehen zu werden. Siehst du denn nicht, dass er mit dir angeben will?“
Fast hätte sie ihre Mutter über den Irrtum aufgeklärt, aber sie hielt sich zurück. Es war längst zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Es würde nichts ändern, ihrer Mutter zu sagen, dass Jake sie nicht liebte, sondern nur begehrte.
„Wir nehmen beide Kleider“, hörte sie Margaret sagen, als sie zur Kabine zurückkehrte.
Den restlichen Nachmittag bummelten sie durch York, machten letzte Weihnachtseinkäufe und statteten dem Blumenladen einen Besuch ab, um den Brautstrauß und die Tischdekoration für die Hochzeit zu bestellen.
Ein Protest lohnte sich nicht, das war Jessica klar. Ihre Mutter genoss das Ganze. Zumindest vergisst sie so für kurze Zeit ihre Sorgen um Mark, dachte Jessica, als sie das Blumengeschäft verließen. Die Falten der Müdigkeit im Gesicht ihrer Mutter waren Jessica nicht entgangen, auch nicht, dass sie viel von ihrem Schwung verloren hatte. Heute schien die Energie zurückgekehrt zu sein.
Erst als sie schon auf dem Rückweg zum Wagen waren, fiel Jessica siedend heiß ein, dass sie Jake ein Weihnachtsgeschenk machen musste. Ihre Eltern würden diese Geste erwarten. Bisher hatte sie nichts für ihn besorgt. Während sie noch überlegte, wie sie schnell eine Kleinigkeit besorgen konnte, ohne dass ihre Mutter es merkte, blieb Margaret plötzlich mitten im nächsten Schritt stehen.
„Oh nein! Ich wollte doch noch einen Termin beim Friseur vereinbaren. Der Salon bleibt über die Feiertage geschlossen, und ich muss mir noch vor der Hochzeit die Haare machen lassen. Hier“, sie drückte Jessica die Autoschlüssel in die Hand. „Ich laufe nur schnell zurück. Warte im Wagen auf mich.“
Eigentlich war es unmöglich, innerhalb einer halben Stunde ein Geschenk für einen Mann zu finden, den man gleichzeitig liebte und hasste. Doch nur ein kleines Stück die Straße hinunter fand Jessica einen kleinen Juwelier. Und in dem Moment, als sie die goldenen Manschettenknöpfe entdeckte, wusste sie: Dies war genau das richtige Geschenk für Jake. Der polierte Halbedelstein in der Mitte hatte die Farbe von Jakes Augen, an der Seite verbarg sich außerdem ein kleiner Diamant. Sie sah kein Preisschild, aber als Jessica die Goldschmiedekunst der Einfassung genauer betrachtete, wusste sie, dass ihre Wahl nicht billig sein konnte.
Es war die Art Präsent, die eine Frau nur einem Mann machte, der ihr sehr wichtig war – oder eine reiche Frau ihrem jungen Liebhaber. Jessica verzog ihre Mundwinkel zu einem leichten Lächeln. Eins war auf jeden Fall sicher: Kein Mann würde sich solche Manschettenknöpfe je selbst kaufen.
Rasch betrat Jessica den Laden, bevor sie ihre Meinung ändern konnte. Sie hatte richtig vermutet, die Manschettenknöpfe waren teuer. Aber sie wusste, sie wollte sie unbedingt haben. Sie zückte ihre Kreditkarte und schloss kurz die Augen. Es war jeden Penny wert, Jakes Gesicht zu sehen, wenn er das kleine Kästchen auspackte.
Ihre Mutter und Mark würden es für das Geschenk einer verliebten Braut halten, doch Jake würde den Wink verstehen. Er hatte gesagt, dass er sie begehrte. Dieses kostbare Präsent war ein Zeichen dafür, dass sie ihn ebenfalls wollte – und mehr: dass sie bereit war, für dieses Vergnügen zu zahlen. Diese Geste würde ihn demütigen. Er sollte vor Wut
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