Morgendaemmerung der Liebe
meine Braut eine Lungenentzündung bekommt“, sagte Jake lachend und war sich bewusst, dass sie die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich zogen. Er setzte Jessica nicht ab, bis sie bei seinem Wagen angelangt waren. Und als er sie dann hinunterließ, genoss er jeden Moment, in dem sich ihr Körper verräterisch an ihn schmiegte.
„Hör auf damit, Jake“, warnte sie ihn atemlos, als er sie gegen den Wagen drückte. „Ich will das nicht.“
„Lügnerin!“
Er schloss das Auto auf, und niemals hätte Jessica zugegeben, dass ihr Körper Jakes Wärme und Stärke sofort vermisste. Völlig zu Recht hatte er sie eine Lügnerin genannt.
Jessica war dankbar, als sie bemerkte, wie vorsichtig Jake vom Parkplatz fuhr. Es gab niemanden sonst, dem sie sich bei diesem Wetter im Auto anvertraut hätte. Sie schwieg, um seine Konzentration nicht zu stören, und starrte besorgt hinaus auf den wirbelnden Schnee.
„Vielleicht hätten wir besser im Hotel übernachten sollen“, murmelte sie, als sie von der Hauptstraße abbogen und der Wagen leicht schlingerte.
„Ich habe nachgefragt, aber sie hatten nur noch ein Zimmer frei.“ Für eine Sekunde nahm er den Blick von der Straße und sah sie an. „Enttäuscht?“
Ahnte er etwa, welche erotischen Bilder vor ihrem inneren Auge tanzten? Entschlossen unterdrückte Jessica die aufkommende Enttäuschung. Wie konnte er behaupten, sie zu begehren, wenn er diesen perfekten Vorwand ungenutzt hatte vorbeiziehen lassen?
„Es würde nur zu Klatsch führen, wenn wir uns ein Zimmer teilten“, fuhr er fort. „Wir sind hier nicht in London. In dieser Gegend wird noch erwartet, dass man sich an gewisse Verhaltensregeln hält.“
„Das hat dich ja damals auch nicht gestört.“ Kaum waren die Worte über ihre Lippen, versteifte Jessica sich. Warum hatte sie das jetzt gesagt?
„Nein, es hat mich nicht aufgehalten, mit dir zu schlafen“, knurrte er. „Aber ich habe dich auch nie einer Situation ausgesetzt, die Klatsch provozieren würde – wie zum Beispiel, die Nacht gemeinsam in einem Hotel zu verbringen.“ Er lachte hart auf. „Du verwechselst mich wohl mit einem deiner anderen Liebhaber. Ich hoffe, sie wussten dich zu schätzen.“
Säße er nicht hinter dem Steuer, sie hätte ihn geohrfeigt! War das seine Meinung über sie? Hielt er sie für eine Frau, die leichtfertig von dem Bett des einen Mannes in das des nächsten wanderte? War das, was sie einst miteinander geteilt hatten, so bedeutungslos für ihn? Er wusste doch, dass sie …
„Das war’s dann wohl“, unterbrach seine Stimme ihre bedrückten Gedanken. „Der Wagen rührt sich keinen Zentimeter weiter.“
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht mehr fuhren. Jessica sah zum Fenster hinaus. Sie standen auf der schmalen Seitenstraße, die zum Haus führte.
„Die Reifen stecken im Schnee fest. Die letzten paar hundert Meter werden wir wohl zu Fuß zurücklegen müssen.“
Sie sollten laufen? Ungläubig starrte Jessica ihn an und dachte an ihre hohen Absätze und ihren bloßen Rücken.
„Hinten auf der Rückbank liegt meine Lammfelljacke“, sagte Jake. „Komm, beeilen wir uns und bringen es hinter uns. Als wir vorhin losgefahren sind, hatte ich nicht damit gerechnet, dass es so schlimm wird.“
Er griff nach hinten und holte die schwere Jacke vor. Jessica schlüpfte hinein. Die Jacke war viel zu groß. Aber zumindest würde sie sie warm halten, bis sie im Haus waren. Die hochhackigen Sandaletten zog sie aus, sie würden ihr das Laufen nur erschweren. Es war einfacher und sicherer, den Weg auf nackten Füßen zu laufen.
Jake war damit beschäftigt, den Wagen zu verschließen, so sah er nicht, was sie tat. Bis er sie eingeholt hatte, hatte sie bereits mehrere Meter zurückgelegt.
Zuerst war das Laufen gar nicht so schlimm. Die Schneeflocken wehten ihr ins Gesicht und fielen auf ihr Haar, aber die Lammfelljacke war warm. Solange sie nicht an ihre Füße dachte, würde sie schon durchhalten, glaubte Jessica.
Als sie schon fast bei den Toren des Anwesens angekommen waren, bemerkte Jessica, dass sie sehr viel langsamer vorankam als Jake. Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sie machte den nächsten Schritt und fühlte, wie sie den Halt verlor.
Sie fiel nach vorn, der hohe Schnee dämpfte ihren Fall, dennoch erschrak sie. Sie fühlte sich ausgelaugt, die Muskeln wollten ihr nicht gehorchen. Sie schloss die Augen. Sie war so müde, sie würde bleiben, wo sie war, sie wollte sich nicht bewegen …
Aber Jake
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